In der Deutschen Zeitschrift für Onkologie (DZO) wurde in der Ausgabe 2/2018 ein Artikel von Jens Wurster zum (angeblichen) Zusatz-Nutzen der Homöopathie in der Onkologie. Mein Leserbrief dazu, unterzeichnet von namhaften Mitgliedern des Informationsnetzwerks Homöopathie und des Münsteraner Kreises ist soeben in der Ausgabe 3/2018 erschienen und offenbar frei zugänglich:
https://www.thieme-connect.de/products/ejournals/abstract/10.1055/a-0663-3158
Edit / Ergänzung (28.09.2018):
Das INH hatte schon einmal Probleme mit der „Deutschen Zeitschrift für Onkologie“. Trotz des seriös klingenden Titels bei einem respektablen Verlag ist sie doch eher der Alternativmedizin verhaftet und ist Verbandszeitschrift der „Gesellschaft zur biologischen Krebsabwehr“, die durchaus auch Homöopathie und andere CAM-Verfahren zur Krebstherapie propagiert. Die Redaktion hatte beim INH nach einem „kritischen“ Beitrag zur Homöopathie gefragt – und hatte dann ein Problem damit, als sie einen solchen bekam. Wir haben den Artikel dann allerdings zurückgezogen, als die Redaktion beschloss, im gleichen Heft einen Homöopathen Stellung nehmen zu lassen. Stichwortgeber für eine Darstellung pro Homöopathie wollten wir nicht sein. Wir haben den Artikel dann bei Krebs-Rat Hilfe veröffentlicht (http://www.krebs-rat-hilfe.de/homoeopathie-in-der-onkologie/)
Aber das Geschwurbel von Wurster konnte nun wirklich nicht unbeantwortet bleiben!
„… wenn ein therapeut bei bestimmten krankheiten erfolg hat, bei denen ein placebo effekt ausgeschlossen ist und mögliche spontanremissionen raus gerechnet sind. “
Genau, da sind wir am Punkt. Gehen wir es einmal Stück für Stück durch:
“ wenn ein therapeut bei bestimmten krankheiten erfolg hat“
Woher wissen Sie oder woher weiß der Therapeut, dass er Erfolg hatte, also der erlebte positive Verlauf ursächlich von seiner Therapie hervorgerufen bzw. günstig beeinflusst wurde? Nur weil etwas nach oder während der Therapie passiert, heißt es nicht, dass es WEGEN der Therapie passiert. Daher können solche Aussagen nur in einem Vergleich festgestellt werden, was ohne die Therapie passiert wäre. Dies erfordert eine Vergleichsstudie.
„Erfolg“
Woran messen Sie den Erfolg? Ich lese öfter von Erfahrungsberichten, in denen Patienten darlegen, sie würden mit ihren chronischen Beschwerden jahrelang von ihrem Therapeuten erfolgreich behandelt. Wie kann das sein? Jahrelang erfolgreich behandelt? Entweder ist die Behandlung erfolgreich oder die Beschwerden bestehen jahrelang. Folge: Man muss genaue Kriterien festlegen, anhand derer man den Erfolg einer Therapie misst. Was bedeutet „geheilt“ bei einer chronischen Erkrankung? Wie lange müssen die Symptome ausbleiben, um als „Heilung“ zu gelten?
„bei denen ein placebo effekt ausgeschlossen ist “
Den Placeboeffekt – und alle anderen Kontexteffekte wie Regression zur Mitte, natürlichen Krankheitsverlauf, Wirkung des Immunsystems etc. – auszuschließen erfordert ebenfalls einen Vergleich von Verum- und Placebo-Gruppe. Man erfasst die Kontexteffekte in der Placebogruppe und zieht sie praktisch von den Effekten in der Verum-Gruppe ab.
„und mögliche spontanremissionen raus gerechnet sind. “
Auch dies ist nur mit einer kontrollierten Vergleichsstudie möglich.
Dann ist noch zu fordern, dass die Gruppeneinteilung per Zufall erfolgt und weder Patienten noch Therapeut die Zuordnung des jeweiligen Patienten kennen. Wenn dies nicht gewährleistet ist, dann werden die Ergebnisse durch Kontexteffekte beeinflusst – und das in Richtung auf einen größeren Effekt.
Es sei darauf hingewiesen, dass die Homöopathie bei solchen Nachweisen, die keinerlei Kenntnisse über den Wirkmechanismus voraussetzen, regelmäßig versagt. Details dazu finden Sie hier: http://www.homöopedia.eu/index.php/Artikel:Systematische_Reviews_zur_Homöopathie_-_Übersicht
@borstel
Danke für das Kompliment. Was hier den Blog angeht: Ich bin immer noch auf der SUche nach der optimalen Gestaltung. Vor kurzem wurde in einem Kommentar vorgeschlagen, die Antworten rein zeitlich hintereinander anzuordnen (http://www.beweisaufnahme-homoeopathie.de/?page_id=43#comment-30597). Dies ist ein Versuch, ob dies bei den Lesern besser ankommt.
Ich gehe davon aus, dass die Antwortfunktion intern noch registriert wird, sich aber nicht mehr in der Darstellung zeigt. Wenn sich das jetzige Format nicht bewähren sollte kann ich wieder umschalten, vielleicht nur auf eine Antwortebene, wie bei Facebook.
@ Norbert Aust: Keine direkte Antwortmöglichkeit auf Kommentare mehr? Wie auch immer, zunächst einmal Glückwünsche zu dem schönen „Nachgefragt“-Podcast (http://nachgefragt-podcast.de/2018/11/05/ngf018-woran-erkennt-man-serioese-studien/).
@ Leo: Ich lese eine gewisse Grundaggression aus ihren Zeilen heraus – wie auch immer, neben der Tatsache, daß nicht Herr Aust Herrn Wurster nach etwas fragen müßte, sondern daß Herr Wurster seine rein durch Homöopathie geheilten Patienten (wenn es sie denn gäbe) als „Best case study“ schon selber veröffentlichen sollte, wird Ihnen womöglich der oben verlinkte Blogbeitrag helfen zu verstehen, weshalb Ihre Frage „Wieviel Patientenfälle wären denn ausreichend für eine Evidenz, die Ihnen wohlgefallen wäre?“ selbst dann nicht zielführend ist, wenn es Ihnen um eine saubere placebokontrollierte RCT ginge: Es geht um die Fragen von verzerrenden Effekten, um die Effektstärke selbst und um das Signifikanzniveau, so daß sich eine solche Aussage nicht pauschal treffen ließe, wäre Ihre Frage nicht nur rhetorisch.
Herr Wurster aber ist ja nicht bloß ein armer Kerl, der von seinen Kritikern ungerecht behandelt wird! Er selbst bringt doch mehr als fragwürdige Behauptungen vor, die er dann nicht gescheit belegen kann. Soll er das doch entweder ganz lassen oder aber Kontakt zu Universitätsmedizinen knüpfen, mit denen er dann saubere Studien auflegen kann, um belastbare Resultate zu erzeugen.
Wobei das bereits vor Jahren nicht geklappt hat, wie http://www.beweisaufnahme-homoeopathie.de/?p=461 belegt: Eines der Studienzentren war nämlich die Klinik, an der er beschäftigt ist!
der placebo effekt ist mehr oder weniger ausgeschlossen bei der heilung bei chronischen krankheit – ansonsten gäbe es ja gar keine chronische erkrankungen. gut belegte heilende placebo effekte gibt es ja nur bei psychischen erkrankungen und schmerztherapien.
deshalb wähle ich ja sozusagen die schwerst mögliche chronische krankheit.
ich spreche ja hier nicht von linderung von symptomen – sondern von der vollständigen beseitigung, und hier gut nachweisbar an einem tumor, der entweder vorhanden ist – oder eben nicht mehr.
man könnte aber meinetwegen auch andere „unheilbare“ krankheiten nehmen. wie wäre es mit colitis ulcerosa?
das müsste doch ab irgendeinen wert eine statistische signifikanz haben, wenn ein therapeut bei bestimmten krankheiten erfolg hat, bei denen ein placebo effekt ausgeschlossen ist und mögliche spontanremissionen raus gerechnet sind.
das würde mich echt interessieren, ob sowas statistisch möglich ist.
Fallstudien sind prinzipiell ein ungeeignetes Mittel, um die Wirksamkeit einer Therapie nachzuweisen. Um diese zu beurteilen braucht man nämlich auch Angaben darüber, in wie vielen Fällen die Therapie nicht zum Erfolg führt, und einen Vergleich zu Placebo bzw. bekannten wirksamen Therapien. Fallstudien werden hingegen nur von positiven Fällen veröffentlicht. Ich habe jedenfalls noch keine gesehen, in denen ein Therapeut berichtet hätte, wie er seinen Patienten vor die Wand gefahren hat. Etwas ausführlicher finden Sie dies in der zweiten Hälfte dieses Artikels erläutert: https://www.netzwerk-homoeopathie.eu/standpunkte/245-studie-deckt-auf-mit-alternativmedizin-sterben-viele-krebspatienten-frueher-als-noetig
Sie haben durchaus Recht damit, dass eine klinische Studie außerhalb der Möglichkeiten liegt, die ein praltizierender Arzt leisten kann.
Viele Grüße
Norbert Aust
Wieviel Patientenfälle wären denn ausreichend für eine Evidenz, die Ihnen wohlgefallen wäre?
Immerhin fordern Sie etwas, was so leicht als praktizierender Arzt nicht umzusetzen ist.
Fragen Sie doch mal Dr. Wurster, nach den Therapieverläufen von seinen rein homöopathisch behandelten Patienten, die eine Genesung erfuhren.
Wieviele bräuchte es davon, um eine statistische Wirksamkeit über Placebo/Spontanheilung etc. zu bezeugen?
Würden z.B. 30 rein homöopathische Krebsgenesungen Sie überzeugen können – oder wieviele bräuchte es?
Würde mich wirklich interessieren.
Davon ist mir nichts bekannt. Auch im Inhaltsverzeichnis erscheint nichts dergleichen: https://www.thieme-connect.de/products/ejournals/journal/10.1055/s-00000097
Die Herausgeber haben doch sicher Herrn Wurster um einen Kommentar gebeten, wie in solchen Fällen üblich. Weiß man darüber etwas?
Ja, mit der Zeitschrift hatten wir schon einmal Probleme. Sie hatte beim INH nach einem „Kritischen“ Beitrag zur Homöopathie gefragt – und hatte dann ein Problem damit, als sie einen solchen bekam. Wir haben den Artikel dann allerdings zurückgezogen, als die Redaktion beschloss, im gleichen Heft einen Homöopathen Stellung nehmen zu lassen. Stichwortgeber für eine Darstellung pro Homöopathie wollten wir nicht sein. Wir haben den Artikel dann bei Krebs-Rat Hilfe veröffentlicht (http://www.krebs-rat-hilfe.de/homoeopathie-in-der-onkologie/)
Aber Wurster konnt nun wirklich nicht unbeantwortet bleiben!
Die Reaktion der Redaktion auf diesen Brief ist ja erstaunlich unsouverän: Einerseits wird darauf vertraut, daß der geneigte Leser schon selbst herausfindet, was in dieser Zeitschrift Blödsinn ist und was nicht, andererseits geben sich die Herausgeber eingschnappt, weil ein Teil der Briefautoren zuvor nicht dort publizieren wollte.
Als ob man das Thema Homöopathie noch durch eine Pro-und-Contra-Debatte mit falscher Ausgewogenheit adeln sollte.
Außerdem, diese Zeitschrift ist alles, aber nicht seriös, wahrscheinlich mit einem Impact-Faktor irgendwo nahe dem absoluten Nullpunkt und dann auch noch die Hauspostille der „Gesellschaft für biologische Krebsabwehr“. Na, vielen Dank auch…
Sehr schön!
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