Zur Kritik von Professor Walach zum Positionspapier der EASAC zur Homöopathie

Auch Prof. Walach hat zur Stellungnahme der Europäischen Akademien der Wissenschaften geantwortet. Anlsss genug, die Kritikpunkte eingehender zu betrachten. Das folgende Schreiben ging am 13.12.2017 per Mail an ihn:

Lieber Herr Prof. Walach,

dass Sie eine Stellungnahme zu dem Positionspapier des EASAC (European Academies Science Advisory Council) [1] verfassen würden, war zu erwarten. Dass es eine Polemik geworden ist, überrascht. Dass diese einer gewissen Richtigstellung bedarf, eher nicht.

Ich möchte mich auf einige wesentliche Ihrer Argumente stützen:

Voreingenommenheit

Sie vermissen die Unparteilichkeit, wobei nicht so ganz klar ist, auf wen Sie da zielen. Auf das EASAC oder auf die Institutionen, auf deren Ergebnisse sich das EASAC bezieht? Aber, wie dem auch sei, den Vorwurf der Voreingenommenheit wird man immer machen können, wenn sich jemand kritisch zur Homöopathie äußert ohne selbst Homöopath zu sein. Dieser Vorwurf geht immer, genau so, wie er auch in umgekehrter Richtung gilt: Auch Homöopathen, die sich pro Homöopathie äußern, kann man fehlende Neutralität vorwerfen. Oft auch noch substanzielle wirtschaftliche Eigeninteressen.

Aber Ihr Argument greift zu kurz: Es fehlt, dass Sie einen oder mehrere Punkte benennen, an denen sich die Voreingenommenheit ausgewirkt haben könnte, welche Schlussfolgerungen nicht stimmen, welche Bewertungen aufgrund einer Parteilichkeit in die falsche Richtung erfolgt sind. Diese müsste man erkennen und benennen können. Wenn nicht, dann war das Design der Arbeit offenbar robust genug, dass dieses Problem sich nicht ausgewirkt hat.

Ähnliche Überlegungen gelten übrigens auch für den Vorwurf, wie Sie ihn vom HRI („Homeopathy Research Institute“) übernommen haben, es habe eine frühere Version der NHMRC-Studie gegeben. Woraus Sie schließen, dass die jetzige Version „vermutlich (sic!) verzerrt und im schlimmsten Fall sogar betrügerisch“ sei. Aber warum? Aufzeigen, wo die Fehler des jetzigen Reviews liegen könnten, können weder Sie noch das HRI.

Folgerung: Das sind Pseudoargumente, die in der Öffentlichkeit vielleicht gut klingen und geeignet sind, die Arbeit und deren Autoren in einem schlechten Licht erscheinen zu lassen, aber keinen sachlichen Beitrag dazu liefern, dass man methodische oder sonstige Fehler der Arbeit erkennt und korrigiert.

Neuere Publikationen

Sie bemängeln, dass die EASAC nicht neuere Reviews zu Rate gezogen hat, und behaupten sogar, dass aus den vorliegenden Reviews, auch aus dem von Shang [2], erkennbar sei, dass es sich bei der Homöopathie nicht um ein Placebo handle. Das soll wohl bedeuten, dass sie doch eine Wirkung über Placebo hinaus aufweist. Denn wenn man unter Placebo ein Scheinarzneimittel ohne Wirkstoff versteht, dann muss man definieren, was man unter „Wirkstoff“ versteht. Wir könnten da ja höchst unterschiedlicher Ansicht darüber sein, ob eine Lösung „Arnica C30“ ein „Wirkstoff“ ist.

Es ist sicher auch richtig, bei der Beurteilung eines Sachverhalts den neueren Quellen den Vorzug zu geben, denn diese reflektieren eher den aktuellen Stand der Erkenntnis als frühere Arbeiten. Dabei ergibt sich dann folgendes Bild:

Außer den Arbeiten von Shang et al. und dem NHMRC [3] gibt es die zwei Reviews von Mathie et al. aus den Jahren 2014 [4] und 2017 [5], wobei Sie letztere bei sich offenbar ausblenden – und sich noch nicht einmal die Mühe machen, wenigstens einen Vorwand dafür zu finden. Wie zweifelhaft ist denn diese Vorgehensweise?

Sie zitieren nur das Review aus dem Jahr 2014, in dem die klassische Homöopathie untersucht wird. Hier kamen die Autoren in der Tat auf ein positives Ergebnis – nachdem auf recht abenteuerliche Weise mindestens zwei qualitativ hochwertige Arbeiten, die zu negativen Ergebnissen kamen, aus der Betrachtung ausgeschlossen wurden – andere dafür ganz offensichtlich post hoc trotz qualitativer Defizite zur belastbaren Evidenz hochgestuft wurden. Dazu besteht die betrachtete „Evidenz“ zu einem Drittel auch noch aus Pilotstudien, die das per Definition gar nicht sind. In der Gesamtbetrachtung der eingeschlossenen Studien ergibt sich zwar ein (mickriges) OR von 1,53, aber Mathie warnt selbst, dass dieses Ergebnis mit Vorsicht zu genießen sei, weil die Qualität der Studien insgesamt recht miserabel ist.

Da haben wir den Bewertungspunkt der Studienqualität. Eine unzureichende Studienqualität bedeutet in dem bei Reviews üblicherweise angewandten Bewertungsschema nach dem Jadad-Score oder neuer bei der Bewertung des Risk of Bias, dass mindestens in einem der drei Gebiete Randomisierung, Verblindung und Vollständigkeit der Ergebnisse keine angemessenen Methoden angewandt wurden, zumindest nicht darüber berichtet wird. Alle diese Schwächen haben jedoch zur Folge, dass Studien, die diese Fehler aufweisen, zumeist einen stärkeren Effekt feststellen, als Studien, die in dieser Hinsicht einwandfrei sind (siehe Kapitel 8.9 und folgende im Cochrane-Handbuch [6]). Dass dies auch bei Studien zur Homöopathie der Fall ist, wurde schon in der Arbeit von Linde aufgezeigt [7]. Auch bei Mathie (2017) findet sich dieser Trend.

Wir können also das Ergebnis von Mathie (2014) dahingehend zusammenfassen, dass es für die individualisierte Homöopathie keine hochwertigen Studien – „low risk of bias“ – gibt, die einen positiven Effekt aufzeigen. Wenn man allerdings die Studien zusammenfasst, die wegen mangelnder Qualität das Ergebnis in die positive Richtung überzeichnen, dann kommt ein marginaler positiver Effekt heraus. Tolle Evidenz. Wirklich.

Also: Um zu dem Schluss zu kommen, dass die Wirksamkeit der Homöopathie über Placebo hinausreiche, muss man jedwede Qualitätsfragen zu den Einzelstudien ausklammern.

Nehmen wir Mathies Review von 2017 über die nicht-individualisierte Homöopathie hinzu, dann fällt auf, dass es nur zwei Studien gibt, die qualitativ hochwertig sind, und dass beide keinen signifikanten Vorteil gegen Placebo feststellen. Hier ergeben alle eingeschlossenen Studien sogar einen noch kümmerlicheren Effekt als in der Arbeit von 2014 (SMD = -0,24 ergibt nach [6] OR = 1,27). Auch in dieser Arbeit bemängelt Mathie die niedrige Qualität der Studien und führt weiter aus, dass er kein Krankheitsbild gefunden habe, für das es belastbare Evidenz für eine Wirksamkeit über Placebo hinaus gäbe.

Die an anderer Stelle vielmals kritisierten und zitierten Ergebnisse des NHMRC aus dem Jahr 2015 seien hier ergänzend erwähnt, die zeigten, dass es keine belastbare Evidenz dafür gibt, dass die Homöopathie in irgendeinem Krankheitsbild einen klinischen Effekt über Placebo hinaus aufweise.

Insofern können wir feststellen, dass die Arbeiten von Mathie (2014), NHMRC (2015) und Mathie (2017) die Ergebnisse von Shang bestätigen.

Darin sind auch die vernichtenden Ergebnissen von Mathie, der als berufliche Zugehörigkeit das Homeopathy Research Institute angibt, eingeschlossen. Sollte tatsächlich eine Voreingenommenheit gegen die Homöopathie die Ergebnisse von Shang und dem NHMRC beeinflusst haben, dann ist festzustellen, dass man auch unter der gegenteiligen Überzeugung zu ziemlich genau den gleichen Ergebnissen kommt.

Übrigens ist damit auch die Aussage von Hahn [11], so wie Sie sie zitieren, widerlegt: Mathie kommt zu den gleichen Ergebnissen wie Shang, ohne 90% der Studien auszuschließen.

Ich sehe Ihre Kritikpunkte, die auf eine einseitige Literaturauswahl und „Hinbiegen von Kriterien“ hinauslaufen, als widerlegt an: Dass Homöopathie etwas anderes sein soll als ein Placebo, ist nicht belegt, und dieses Ergebnis ist unter unterschiedlichen methodischen Ansätzen von mehreren Forschergruppen unabhängig voneinander repliziert worden.

Zulassung

Sie sagen, da Homöopathika nicht als Therapeutikum für ein bestimmtes Krankheitsbild entwickelt wurden, passe das übliche Zulassungsverfahren nicht, die Überprüfung des Mittels bei einer bestimmten Indikation zur Grundlage zu machen. Stattdessen ist es offenbar Ihrer Ansicht nach gerechtfertigt, überhaupt auf jede Form einer Überprüfung der Wirksamkeit zu verzichten.

Das führt in der Konsequenz dazu, dass es in der Homöopathie kein Beurteilungskriterium dafür gibt, ob ein Ausgangsstoff überhaupt als Grundlage für ein wirksames Arzneimittel geeignet ist oder nicht. Auch eine homöopathische Arzneiprüfung kann dies nicht sein, denn dort fehlt auch der kleinste Versuch, eine Kausalität zwischen der Einnahme des Mittels und den beobachteten Symptomen zu verifizieren. In der Homöopathie kann folglich alles und jedes ein Arzneimittel sein, auch Elektrosmog beispielsweise, wie von der Fa. Homeda angeboten. Oder Vakuum oder Jupiterlicht. Sie haben keine Möglichkeit, diese als „homöopathisches Heilmittel“ zurückzuweisen.

Gibt es in der Homöopathie ein einziges experimentell überprüfbares Kriterium, wirksame von unwirksamen Mitteln zu unterscheiden? Wenn ja, dann kann dies zur Grundlage eines Zulassungsverfahrens gemacht werden. Wenn nein, wenn also Wirkung und Nicht-Wirkung eines Mittels rein stochastisch erfolgen und nicht anhand irgendwelcher Kriterien vorhersagbar sind, dann sind Homöopathika keine zielgerichtet einsetzbare Heilmittel und nichts weiter als Placebos.

Dazu kommt: Die Homöopathie stellt einerseits hohe Ansprüche an die eigene Wirksamkeit auf, die der Universitätsmedizin mindestens gleichwertig, wenn nicht gar überlegen sei, versagt aber gründlich, wenn man in einem kontrollierten Versuch die Wirksamkeit auf die Probe stellt.

Angesichts dieser Gegebenheiten ist es einfach nicht sinnvoll, knappe und dann an anderem Ort fehlende Forschungsgelder in eine Therapie zu investieren, die eben nicht nur den Nachweis einer Wirksamkeit bislang schuldig geblieben ist, sondern bei der auch mit Sicherheit ausgeschlossen ist, dass sie eine über Placebo hinausgehende Wirksamkeit aufweisen könnte.

Angesichts der billigen Rohstoffe und dem sehr überschaubaren Aufwand in der Produktion dürfte die Finanzkraft des Teils von Big Pharma, der sich mit der Homöopathie beschäftigt, doch ausreichen, ein paar wirklich überzeugende Arbeiten vorzulegen. Allerdings scheint das Risiko, dass dies nicht möglich ist, relativ groß zu sein, wie der an sich aus homöopathischer Sicht unter optimalen Randbedingungen von Ihnen vorgelegten Münchner Kopfschmerzstudie zu entnehmen ist.

Cochrane-Kriterien

Sie zitieren eine Arbeit von El Dib [8], in der die Ergebnisse von über 1000 Reviews aus allen 50 Sparten der Cochrane Collaboration untersucht wurden. Ich möchte Sie hiermit zunächst auf einen kleinen, aber möglicherweise (oder wahrscheinlich?) bedeutsamen Übersetzungsfehler Ihrerseits hinweisen: „likely“ heißt „wahrscheinlich“, ist also im Deutschen eine deutlich positivere Aussage als das von Ihnen benutzte Wort „möglicherweise“. Genaugenommen kann man der Unmöglichkeit eines endgültigen Beweises gar nicht anders Rechnung tragen, als dass man ein Mittel als „wahrscheinlich wirksam“ oder „wahrscheinlich unwirksam“ bezeichnet. Ihre Übersetzung „möglicherweise wirksam“ bringt einen Spin in Ihre Argumentation, der ungerechtfertigt ist.

Man fand in 44 % der Fälle, dass die Behandlungen wahrscheinlich wirksam waren („were likely to be beneficial“), in 7 % der Fälle wahrscheinlich schädlich waren („likely to be harmful“), und in 49 % der Fälle konnte weder ein Nutzen noch ein Schaden festgestellt werden („did not support either benefit or harm“). Das sind jedenfalls die Angaben aus dem Abstract der Arbeit. Dass Sie aus einem fehlenden Hinweis, dass weitere Forschung sinnvoll sei, auf eine endgültige Sicherheit des Befundes schließen, ist aus meiner Sicht ebenfalls nicht gerechtfertigt.

Ihren entscheidenden Fehler machen Sie aber in dem Punkt, dass Sie die Zahl der positiven oder negativen Reviews direkt auf die in der täglichen Praxis ausgeführten Behandlungen übertragen. Dies ist mit Sicherheit falsch, da zunächst die Existenz einer Studie nicht aussagt, in welchem Umfang diese Therapie in der Praxis angewendet wird. Wichtiger aber, Sie unterstellen implizit, dass ein negatives Ergebnis bei Cochrane schlicht ignoriert würde und keine Folgen in der täglichen Anwendung zeigen würde – auch nicht in der Erstattungsfähigkeit. Woraus schließen Sie das?

In der Homöopathie ist es zweifelsohne üblich, dass unvorteilhafte Studienergebnisse in der Praxis einfach ignoriert werden – man denke an das Beispiel Ihrer Kopfschmerzstudie, in der aufgezeigt wurde, dass Kopfschmerzen auch unter günstigsten Bedingungen nicht mittels klassischer Homöopathie erfolgreich zu behandeln sind [9]. Aber in der Universitätsmedizin greift Ihre Aussage sicher fehl, wenn Sie nicht betrachten, wie sich die Studienergebnisse auf die Zahl der durchgeführten Therapien aus dem Untersuchungsbereich ausgewirkt haben.

Ich betrachte dieses Argument und alles, was Sie daraus ableiten, als widerlegt.

Anteil hoher Evidenzklassen

Sie ziehen einen für die Homöopathie positiven Vergleich zur Kardiologie und Onkologie, bei der nur 11 % bzw. 6 % der Leitlinienempfehlungen durch systematische Reviews bzw. PCTs abgesichert seien und die Homöopathie im Vergleich dazu gar nicht so schlecht aussehe.

Frage: Welche Leitlinien gibt es denn in der Homöopathie? Wie viele Empfehlungen werden darin gegeben – und wie viele davon sind durch positive Reviews bzw. Vergleichsstudien gestützt? Nebenbei: Inwiefern kann die Homöopathie hier als „erfahrungsbasiert“ gelten, wie Sie sagen, wenn es keine Verfahren gibt, in denen die Erfahrungen gesammelt, überprüft und als „best practice“-Empfehlungen an Andere weitergegeben werden können?

Zur Erinnerung: An belastbaren positiven Studien gibt es ja recht wenige, Mathie fand im gesamten untersuchten Bestand von über 100 Arbeiten nur zwei Studien mit „low risk of bias“ und die zeigten keine signifikanten Ergebnisse. Das heißt, selbst wenn es Leitlinien gäbe, dann könnten sich nur wenige bis keine Empfehlungen auf sichere Evidenz abstützen.

Ich betrachte dieses Argument daher als unbegründet.

Gefahr der Homöopathie

Sie verneinen das Argument, von der Homöopathie gehe eine Gefährdung aus, indem wichtige Behandlungen zurückgestellt oder sogar ganz darauf verzichtet wird. In der von Ihnen als Gegenargument zitierten Studie von Güthlin et al. wird aufgezeigt, dass 21 von 243 Homöopathie-Patienten eine konventionelle Therapie abgelehnt hätten [10]. Ich verstehe nicht, wie man daraus schließen kann, dass das angesprochene Risiko nicht gegeben sei, dass Krebspatienten, die sich einer konventionellen Therapie verweigerten, eine Rarität seien. Knapp 8 % der Homöopathie-Patienten sind doch genau dieses Risiko eingegangen, das sind nach meinem Sprach- und Zahlengefühl keine „Raritäten“. In dieser Zahl sind noch nicht einmal die Patienten erfasst, die im früheren Verlauf die konventionelle Behandlung zurückgestellt hatten – oder die sich die teure Privatklinik oberhalb des Lago Maggiore nicht leisten können.

Ich betrachte Ihr Argument als in sich selbst widerlegt.

Der Aspirinvergleich

Sie betrachten die Homöopathie als eine „wissenschaftliche Anomalie“, die ja eigentlich zur Forschung herausfordern müsste. Man habe ja schließlich bei Aspirin auch erst später herausgefunden, wie es wirkt.

Der Vergleich hinkt gewaltig. Aspirin bzw. der Vorläufer Weidenrinde wird sicher seit Jahrtausenden als Medikament verwendet und die Erklärung, wie es wirkt, ist sicher viel neueren Datums. Das ist nicht zu bezweifeln.

Aber:

Der Unterschied zur Homöopathie ist bemerkenswert. Zunächst ist es unzweideutig so, dass, wenn man das früher aus Weidenrinde hergestellte Heilmittel, heute Aspirin, einnimmt, ohne jeden Zweifel ein Wirkstoff im Körper des Patienten ankommt. Dass dieser Wirkstoff dann etwas bewirkt, widerspricht weder den Naturwissenschaften noch den Erfahrungen des Alltags.

Bei der Homöopathie hingegen ist noch nicht einmal erklärbar, wie eine wirksame Agens der Ursprungssubstanz auf dem Weg über das Potenzieren besonders bei Hochpotenzen überhaupt auf / an / in den Körper des Patienten gelangen könnte und die Wirksamkeit im Vergleich zum Ausgangsstoff dabei noch zunehmen sollte. Man müsste nicht nur ein Modell dafür finden, wie dies überhaupt zustande kommen könnte, sondern dieses Modell müsste auch erklären, warum dies in allen anderen Bereichen des Lebens nicht der Fall ist. Wenn man über Schütteln die Wirksamkeit der Lösung trotz des Verlusts an Wirkstoffgehalt nicht nur aufrecht erhalten sondern sogar verstärken kann, warum passiert das nicht bei koffeinfreiem Kaffee, aufbereitetem Trinkwasser, steriler Infusionslösung, alkoholfreiem Bier, zu dünner Farbe, zu wenig gewürzten Speisen, Insulin und anderen flüssigen Medikamenten, etc.?

Der Vergleich mit Aspirin – oder anderen Arzneimitteln, deren genaue Wirkung man nicht kennt – ist für die Betrachtung der Homöopathie ohne Aussage.

Anwendung der Homöopathie durch Ärzte

Die von Ihnen zitierte Quelle ist derzeit ja noch nicht verfügbar, wonach 21 % der befragten 138 Ärzte in einer (komplementärmedizinischen?) Weiterbildung angaben, die Homöopathie bei sich selbst anzuwenden. Woraus schließen Sie, dass diese Ärzte von den besten Ausbildungsinstitutionen Europas ausgebildet wurden? Woraus schließen Sie, dass dies ein repräsentativer Querschnitt ist? In jeder Profession, der meinen wie der Ihren, gibt es einen gewissen Prozentsatz von Leuten, die die Grundzüge ihrer Disziplin nicht verstanden oder aus welchen Gründen auch immer vergessen haben. Aber ich bin gespannt auf diese Veröffentlichung – oder vielleicht können Sie mir ja den Vorabdruck zukommen lassen.

Zusammenfassung

In Ihrem langen Text, Herr Prof. Walach, gibt es noch viel mehr Ansatzpunkte, Nebensätze und Anspielungen, die ein falsches Bild von der Realität in der Homöopathie zeichnen. Ich habe mich hier auf die Wesentlichen beschränkt, die sich samt und sonders als nicht tragfähig erwiesen:

  • Der Vorwurf der fehlenden Unvoreingenommenheit ist ohne Belang, da unklar bleibt, wie und wo diese sich ausgewirkt haben könnte.

  • Neu publizierte systematische Reviews kommen zu dem gleichen Ergebnis wie Shang, dass es keinen Nachweis dafür gibt, dass die Homöopathie eine höhere Wirksamkeit aufweist als Placebo.

  • Es ist offenbar unmöglich, ein Verfahren anzugeben, wie man potenziell wirksame von unwirksamen Mitteln unterscheidet, weshalb auch „Mondlicht“ oder „Schwingungen“ als homöopathische „Arzneimittel“ gelten müssen.

  • Im Gegensatz zur Universitätsmedizin fehlt der Homöopathie jedwede Leitlinie, deren Empfehlungen auf Evidenz gegründet wären.

  • Die Existenz des Risikos, dass Patienten die Homöopathie zu Lasten einer konventionellen Behandlung bevorzugen können, zeigt sich sogar in Studien, bei denen Sie als Co-Autor fungieren.

  • Ein auch nur halbwegs schlüssiges Modell der Wirksamkeit homöopathischer Mittel ist nicht in Sicht.

  • Und dass Ärzte Homöopathika nutzen, muss nicht notwendigerweise auf deren Wirksamkeit hinweisen.

Nein, die Stellungnahme und die Forderungen des EASAC haben Sie nicht widerlegt.

Mit freundlichen Grüßen

Norbert Aust

Quellen und Belege:

[1] European Academies Science Advisory Council: “Homeopathic products and practices: assessing the evidence and ensuring consistency in regulating medical claims in the EU“, EASAC:September 2017, Link

[2] Shang A, Huwiler-Müntener K, Nartey L et al.: “Are the clinical effects of homeopathy placebo effects? Comparative study of placebo-controlled trials of homeopathy and allopathy“, Lancet 2005;366:726-32 Link

[3] National Health and Medical Research Council. 2015. “NHMRC Statement on Homeopathy“, Canberra: NHMRC; 2015 Link

[4] Mathie RT, Lloyd SM, Legg LA et al.: “Randomised placebo-controlled trials of individualised homeopathic treatment: systematic review and meta-analysis“, Systematic Reviews 2014;3:142 Link

[5] Mathie RT, Ramparsad N, Legg LA et al.: “Randomised, double-blind, placebo-controlled trials of non-individualised homeopathic treatment: Systematic review and meta-analysis“, Systematic Reviews 2017;6:663 Link

[6] Higgins JPT, Green S.: “Cochrane Handbook for Systematic Reviews of Interventions“; The Cochrane Library, 2008 Link

[7] Linde K, Scholz M, Ramirez G et al.: “Impact of Study Quality on Outcome in Placebo-Controlled Trials of Homeopathy“, J Clin Epidemiol (1999);52(79:631-636 Link

[8] El Dib RP, Atallah AN, Andriolo RB:“Mapping the Cochrane evidence for decision making in Health care“, J Evaluation in Clinical Practice(2007);13(4):689-692 Link

[9] Walach H, Haeusler W, Lowes T et al.: “Classical homeopathic treatment of chronic headaches“, Cephalagia(1997);17:119-126 Link

[10] Guethlin C, Walach H, Naumann J et al.: “Characteristics of cancer patients using homeopathy compared with those in conventional care: a cross-sectional study“, Annals of oncology(2009);21(5):1094-1099 Link

[11] Hahn RG: “Homeopathy: Meta-Analyses of Pooled Clinical Data“,Forsch Komplementärmed(2013);20:376-381 Link

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9 Antworten zu Zur Kritik von Professor Walach zum Positionspapier der EASAC zur Homöopathie

  1. Joseph Kuhn sagt:

    Die Hochschule Poznan war ursprünglich als Kooperationspartner für das Frankfurter Institut vorgesehen: http://scienceblogs.de/gesundheits-check/2016/12/13/was-macht-eigentlich-hogwarts-an-der-oder/

  2. borstel sagt:

    Gehen wir doch (zugunsten der Posener Kollegen) mal davon aus, daß diese Professur nur ein fancy sidekick nach der Devise ist: „Geili, wir könnten mal etwas beforschen (oder wie auch immer man Walachs Tätigkeit umschreiben mag), was völlig außerhalb unseres eigenen Fokus liegt, vollkommen Latte, was dabei herauskommt.“
    Erinnere mich gerade an einen Klinikchef aus Polen, der auf einem Kongreß referieren wollte, als die Technik streikte. Als nach einigen Minuten das Problem behoben war, begann er seinen Vortrag mit der trockenen Bemerkung: „Nicht, daß Sie hier denken, das wäre hier eine polnische Wirtschaft!

  3. Norbert Aust sagt:

    Gute Frage. Braucht man in Polen keine medizinische Qualifikation, um an der Uni dieses Fach zu vertreten?

  4. borstel sagt:

    Ach, ich hatte übersehen, dass Homöopathie-Forschung zur WissHom gehört, dachte, es sei Walachs eigenes Projekt. Off Topic: Was hat der Mann eigentlich im Departement der pädiatrischen Gastroenterologie der Uni Poznan zu suchen, obwohl er weder das eine, noch das andre ist? War gerade Geld da, so dass sich die Uni mit ihm schmücken konnte?

  5. Joseph Kuhn sagt:

    @ Borstel:

    Der Beitrag von Walach ist (bisher) nicht auf seiner Homepage zu finden, sondern auf der Homepage der Homöopathengesellschaft WissHom: http://www.homöopathie-forschung.info/empirie/.

    Bayes interpretiert er in der Tat zu subjektivistisch. Die A-priori-Wahrscheinlichkeit ist ja nicht beliebig anzusetzen, als ob der Glaube an geistartige Kräfte und den Schüttelzauber der Homöopathie mit dem Wissensfundus der Naturwissenschaften gleichzusetzen wäre (erhellend dazu auch die schöne Fragenliste von Norbert Aust in http://www.beweisaufnahme-homoeopathie.de/?p=3284).

  6. Pingback: Psiram » Psirama – Der Psiram-Wochenrückblick (KW50, 2017)

  7. RainerO sagt:

    Ich bin ein wissenschaftlicher Laie. Daher kann ich mir kaum vorstellen, dass Dr. Walach nicht weiß, wie die wissenschaftliche Methode funktioniert. Also bleibt für mich nur der Schluss, dass er ganz bewusst Tatsachen verdreht und die Unwahrheit sagt. Das wirft ein ähnliches Licht auf ihn, wie auf Dr. Bajic: Beide sind inzwischen fest in ihrer Esoterikblase verankert und können gar nicht mehr anders. Einziger Unterschied: Dr. Walach geht nicht ganz so plump und hilflos vor, wie Dr. Bajic.

  8. borstel sagt:

    Erschöpfend, vielen Dank hierfür! Prof. Walach überzeugt auch sonst nicht wirklich in seiner Stellungnahme, insbesondere, wenn er in die Niederungen des Whataboutismus abschweift: „Deswegen gibt es auch das Argument des „traditional use“, der Registrierung über die Erfahrungstradition. Diese Zulassungspraxis gibt es im Übrigen auch für viele ältere konventionelle Präparate, die einfach über die Tradition ihre Zulassung beibehalten haben. Sollen die nun auch alle über die Klinge springen?“ – Ja, warum eigentlich nicht?
    Und was die (Nicht-) Evidenz konventioneller Behandlungsverfahren angeht: Deswegen gibt es ja den G-BA, der sich nach Beratung durch das IQWIG zusammensetzt und über die Abrechenbarkeit von Leistungen zu Kassenlasten entscheidet. Dieses Jahr sind z.B. bestimmte Indikationen der Kniegelenkspiegelung aus dem Leistungskatalog herausgenommen worden, diversen neuen Arzneimitteln wurde ein Nutzen nicht anerkannt, so daß sie weiter auf Privatrezept verschrieben werden müssen usw.

    Und es wird mit dem Professor noch schlimmer: am 4.12.17 veröffentlichte er auf seinem Blog den Beitrag „Warum die Homöopathie kein empirisches Problem ist“, in dem er meiner Meinung nach die Ausgangswahrscheinlichkeit nach Bayes nicht nur komplett falsch versteht und anwendet: Darin geht es doch nicht um die Frage, wie positiv gestimmt oder, bös gesagt, leichtgläubig der Untersucher gegenüber einem Untersuchungsgegenstand eingestellt ist (wie wollte man dies denn auch quantifizieren)! Gerade die Einstellung des Untersuchers zu seinem Untersuchungsgesgenstand soll ja zudem durch ein entsprechendes Studiendesign ausgeschaltet werden…
    Aber der Unfug geht ja noch weiter: Einerseits zitiert Walach diverse Studien, andererseits stellt er kategorisch fest: „Aus dem Grund wird die Frage, ob Homöopathie wissenschaftlich akzeptiert wird bzw. akzeptabel ist, nur zum kleineren Teil von empirischen Argumenten geklärt werden können. “ Ja, was denn nun? Und er offenbart seinen vollständigen Unwillen zu logischem Denken und rationaler Beweisführung mit folgenden Sätzen: „Homöopathie ist nicht belegt. Nicht, weil der Datenbestand so wäre, sondern weil die Diskurssituation so ist. Eine wissenschaftliche Tatsache ist die Übereinkunft, mit dem Denken aufzuhören.“ Der Mann hat nicht nur eine seltsame Vorstellung davon, wie wissenschaftlicher Diskurs (nicht) funktioniert, sondern generiert sich auch noch als edler Ritter gegen dunkle Mächte. Demnächst vielleicht auch noch als Märtyrer, den INH, GWUP und Sie, Herr Dr. Aust in einem Autodafé abgeurteilt und hingerichtet haben…

  9. Pingback: Harald Walach bekrittelt das Homöopathie-Papier der EASAC – mit schlechten Argumenten @ gwup | die skeptiker

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