Die Homöopathie-Hydra

„Dafür zielte Herakles nach ihren Hälsen. Aber auch er konnte nicht gewinnen. Hatte er der Hydra ein Haupt abgeschlagen, so wuchsen deren zwei nach. Da rief er seinen Neffen zu Hilfe; Jalaos entzündete eine Fackel und brannte jedes Mal die emporschießenden Köpfe der Schlange aus.“

(Gustav Schwab, Die schönsten Sagen des klassischen Altertums, Gondrom Verlag, 1974)

Wenn man sich mit der Homöopathie beschäftigt, dann wird man irgendwie an diese Sage erinnert.

Was haben die letzten Wochen nicht wieder alles für neue Köpfe entstehen lassen! Es geht immer weiter:

  • Immer mehr Krankenkassen zahlen für homöopathische Behandlungen, weil jeder zweite Deutsche auf die sanften Heilkräfte vertraut (Link Edit 19.02.2017: Der ursprüngliche Link ist erloschen, aber eine übersicht über den Stand der Kostenübernahme durch gesetzliche Krankenkassen gibt es hier).
  • Die unsägliche Sendung ‚Hart aber Fair‘ vom 31.3., in der Frau Schlingensiepen hemmungslos für die Homöopathie und ihr Buch werben durfte (Link).

  • Eine Pressekonferenz in Wien, in der behauptet wird, die Wirksamkeit der Homöopathie sei anhand einer erfolgreichen Prüfung von Traumeel jetzt nachgewiesen (Link).

  • Auf dem Wilseder Forum verwöhnt die Carstens-Stiftung Medizinstudenten, gerade so, wie man es der viel geschmähten Pharmaindustrie immer wieder gerne vorwirft (Link, Edit 19.02.2017: Das Wilseder Forum wurde zwichenzeitlich durch das KVC-Forum für Studierende ersetzt. Die Vollversorgung fällt offenbar nicht mehr ganz so üppig aus: Link).

  • Es gibt jetzt eine Münchner Heilpraktikerschule, die ihrerseits nun die Homöopathie auf einem universitären Niveau (Link erloschen) lehren will und die nach vier beziehungsweise sechs Semestern Abschlusszertifikate verteilt, die ‚Bsc‘ bzw. ‚M.A.‘ entsprechen (Link erloschen). Edit (24.02.2014: Die Webseite www. homoeopathie-akademie.com ist auch über Google nicht mehr erreichbar. Hat diese Schule ihren Betrieb vielleicht eingestellt?)

  • Jetzt ist ein Video auf YouTube hochgeladen worden, in dem ein Dr. Thomas Peinbauer , Präsident des ‚European Committee for Homeopathy (ECH)‘, sich über die Beliebtheit der Homöopathie in Europa äußern darf (Danke, Elke, für den Link).

Alles dies ist schön publikumswirksam aufgemacht – und geht ohne Weiteres durch. Dazu kommen noch Bücher, die zum Teil seit Jahren auf dem Markt sind, oder auch immer wieder neu erscheinen. Kaum vorstellbar, dass sich selbst ein unvoreingenommener Patient auf Dauer diesem vielfach gezeichneten Bild einer wirkungsvollen und dabei sanften Therapie verschließen könnte. Wie dann erst jemand, der aus seinem näheren und weiteren Umfeld zuhauf mit Erfolgsgeschichten versorgt worden ist? Oder ist es nicht faszinierend, dass ein 60jähriger Mann nach einem schweren Herzinfarkt, der ihn hat bewusstlos zusammenbrechen lassen, nur durch die Gabe von zwei Globuli Naja tripudans C30 vollständig geheilt wurde (Rezensionskommentar von Utimaus auf Amazon, Link )? Oder die zwar falsche aber eloquente Darstellung des Forschungsstandes in einem anderen Werk (Rezension ebenfalls von Utimaus, Link)?

Welche unzutreffenden Informationen da zum Teil verbreitet werden, sei anhand des genannten Videos dargestellt. Ich beziehe mich hierbei auf das Video, wie in YouTube hochgeladen (Link), das auf einer in Wien am 9. April 2014 abgehaltenen Pressekonferenz gedreht wurde, offenbar die gleiche, auf der auch über den erfolgreichen Nachweis der Wirksamkeit von Traumeel berichtet wurde.

Redner ist Herr Dr. Thomas Peinbauer, der als Präsident des European Committee for Homeopathy (ECH) fungiert. (Man fragt sich, wie viele Homöopathie-Organisationen es auf europäischer Ebene noch gibt, neben EUH, ECCH, EFHPA, ECHAMP, ENHR …) Ausweislich einer Google-Suche ist Herr Dr. Peinbauer ein Allgemeinmediziner mit eigener Praxis in Linz / Österreich. Er taucht auch außer mit einer 2006 erschienenen Schrift über einen historischen Abriss zur Geschichte der Homöopathie-Ausbildung in Österreich nicht in Google Scholar auf. Er ist also bisher noch nicht groß wissenschaftlich in Erscheinung getreten.

Lassen wir ihn jetzt zu Worte kommen. Zuerst nennt er ein paar Zahlen über die Verbreitung der Homöopathie unter den Patienten und den Ärzten in Österreich, danach dann:

ab 0:36:

„Wir feiern 200 Jahre Homöopathie in Österreich. Damals führte Dr. Marenzeller, ein Militärarzt, über das Invalidenspital in Prag die Homöopathie in die Österreichische Monarchie ein. Und Dr. Marenzeller war damals auch derjenige, der hier in Wien Leibarzt wurde von Metternich. Das war ganz interessant, weil der Metternich war auch derjenige, der die Homöopathie zeitweise verboten hat, und gleichzeitig war der Dr. Marenzeller auch der Leibarzt seiner Familie, vor allem seiner Kinder. Und in dieser Ambivalenz stehen wir bis heute, Ambivalenz zwischen Politik und Patientenbedürfnis.“

Der Herr Dr. Marenzeller (1765 – 1854) war wohl tatsächlich die treibende Kraft für die Einführung der Homöopathie in Österreich. Über ihn findet man zwei Biografien im Internet (hier  und hier) – und in beiden kommt der Fürst Metternich, der österreichische Außenminister und Gestalter Europas nach der Niederlage Napoleons, praktisch nicht vor.

Bringen wir einmal die historischen Gegebenheiten in die richtige Reihenfolge, wir folgen dabei weitgehend der Darstellung auf der österreichischen Homöopathieseite:

Fürst Metternich war zwar seit 1809 Außenminister Österreichs, damals noch Großmacht – aber für das Sanitätswesen war ein Freiherr von Stift verantwortlich. Dieser, nicht der Außenminister, erreichte 1819 bei Kaiser Franz I ein Verbot der Homöopathie in Österreich. Marenzeller hatte in dieser Zeit nichts mit Metternich zu tun, sondern gehörte offenbar zum Ärztekollegium des Fürsten Schwarzenberg, der Napoleon 1813 in der Völkerschlacht bei Leipzig besiegt hatte und 1814 als Sieger in Paris einzog. Bekanntlich reiste dieser Fürst 1820 nach Leipzig (und starb dort im Oktober des gleichen Jahres), um sich durch Hahnemann homöopathisch behandeln zu lassen, was auch dazu führte, dass Marenzeller Hahnemann persönlich kennenlernte. Marenzeller kehrte nach Prag zurück und übersiedelte offenbar erst 1828 nach Wien und eröffnete dort seine homöopathische Praxis. Zu den Patienten gehörte dann auch die Gattin des Fürsten Metternich, obwohl das Verbot der Homöopathie erst 1836 wieder aufgehoben wurde. Irgendwie hat das ja etwas Anrührendes: Metternich mag gesteuert und bestimmt haben, was in ganz Europa geschieht – aber was seine Frau tat – da endete offenbar seine Macht.

Wäre es glaubhaft, dass die Biographen Marenzellers auf einer pro-homöopathischen Seite dessen Rolle als Leibarzt einer der bedeutendsten Persönlichkeiten seiner Zeit oder seiner Familie verschwiegen hätten? Wohl kaum. Facit: Herrn Dr. Peinbauers Aussagen treffen offenbar nicht zu.

ab 1:18:

„In den Vereinigten Staaten gibt es seit zwanzig Jahren bereits ein jährliches Forschungsbudget von etwa hundert Millionen Euro. Hier hinkt Europa ganz eindeutig nach. Und eine ganz starke Forderung des Cambrella Reports ist auch, hier in die Forschung zu investieren, eine zentrale Stelle zu schaffen, wo Komplementärmedizin beforscht wird, und ein entsprechendes Forschungsbudget auch zur Verfügung zu stellen.“

Glauben wir einmal, auch ohne eine Quellenangabe zu haben, dass man in den USA tatsächlich rund 125 Millionen Dollar für die Forschung der Homöopathie ausgibt – was bei einem Geschäftsvolumen für Homöopathie (Link) von 363 Millionen Dollar etwa einem Drittel des Umsatzes entspräche und von daher eigentlich kaum zu glauben ist. Fragen wir uns einmal, was kommt dabei heraus?

Das American Institute for Homeopathy (AIH) gibt auf einer Webseite einen zusammengefassten Überblick über den Stand der Forschung zur Homöopathie (Link). Man sollte nun vermuten, dass die immensen Forschungsgelder hier sichtbar würden. Doch weit gefehlt: Es werden insgesamt als Überblick 23 Forschungsarbeiten über die Homöopathie und ihr ganzes Umfeld angesprochen – aber nur sieben davon stammen von Autoren, die in den USA arbeiten, und zwar aus dem Zeitraum von 1999 bis 2012. Wenn die Angabe von Herrn Peinbauer stimmen würde, dann wären in diesen dreizehn Jahren rund 1,6 Milliarden Dollar in die Homöopathieforschung geflossen – dann sollte man doch erwarten können, dass die amerikanische Forschung die Speerspitze darstellt, dass sie in der Homöopathie eine ähnliche Spitzenstellung einnimmt wie zum Beispiel bei Halbleitern und Informationstechnologie. Aber da scheint etwas schiefgegangen zu sein, irgendetwas stimmt mit der Forschung da offensichtlich nicht. Etwa Herrn Peinbauers Zahlen? Er spricht ja offenbar über die Homöopathie – nicht über Komplementärmedizin im Allgemeinen! Wenn man seine Angaben wörtlich nimmt, dann sind innerhalb der letzten zwanzig Jahre in den USA 2 Milliarden Euro in der Homöopathie-Forschung ausgegeben worden – und man weiß immer noch nicht im Mindesten, wie sie funktioniert. Wie viel Geld soll man denn noch versenken?

Der angesprochene Cambrella-Report (Link): ist ein 64 Seiten starkes Papier, das sich mit der Forschung zur Komplementärmedizin auseinandersetzt. Man fordert hinsichtlich der Forschung tatsächlich eine strategische zentrale europäische Stelle, offensichtlich steht da die Berliner Charité im Raum. Allerdings, die Forschungsinhalte sind wie gehabt. Es geht darum, wieviel CAM verlangt wird, wie man sie bieten kann, wie kosteneffektiv das Ganze ist und welche Therapien bei welchen Beschwerden am sinnvollsten vorzuschlagen wären. Also Versorgungs- und Bestätigungsforschung wie gehabt. Grundlagenforschung, wie die Therapien funktionieren und ob überhaupt irgendwelche Wirkmechanismen darstellbar sind – dies sucht man vergebens in diesem Papier.

Wenn es um die Vergabe knapper Forschungsmittel geht, dann stehe ich voll und ganz hinter dem Konzept der Scientabilität, wie es Christian Weymayr konzipiert hat (Link). Hier wäre der Nachweis einer gewissen Plausibilität der Wirkmechanismen die Voraussetzung dafür, abschätzen zu können, ob die zu erforschende Therapiemethode mit einiger Wahrscheinlichkeit zu einer Verbesserung des Gesundheitswesens beitragen kann – und nur für solche sollte man öffentliche Mittel aufwenden, die an anderer Stelle fehlen würden.

ab 1:47

„Die letzte Meta-Analyse, die ja entscheidend ist, über die Wirksamkeit der Homöopathie von Professor Hahn, der gar nichts mit Homöopathie zu tun hat, wie er auch schreibt, noch nie Homöopathika eingenommen hat, aus einem Land kommt, wo die Homöopathie eigentlich nicht stark verankert ist, muss man sagen, und er sagt auch, es müssten 90% der klinischen Studien außer Acht gelassen werden, um zu einem negativen Schluss über die Wirksamkeit der Homöopathie zu kommen.“

Professor Hahn ist ein ernstzunehmender Wissenschaftler. Nach der Liste auf seiner Homepage (Link) hat er über 450 wissenschaftliche Artikel als Hauptautor verfasst oder war als Koautor beteiligt, soweit ich das sehen kann, über Urologie und Anästhesie. Ich verfüge sicher nicht über die Qualifikation, auch nicht ansatzweise, um hieran Kritik zu üben.

Aber so ganz weit weg von der weniger rationalen Seite ist Hahn auch nicht, denn er hat auch mehrere Bücher über Spiritualität mitverfasst, mit Titeln wie zum Beispiel ‚Clear answers from the world of spirits‘ (‚Deutliche Antworten aus der spirituellen Welt‘) oder ‚Kinship of souls‘ (‚Seelenverwandtschaft‘). Gut, wir wissen nicht, welche Position er in diesen Werken vertreten hat – aber so ganz weit weg, wie Peinbauer das haben will, ist er möglicherweise nicht.

Aber, jetzt meine ganz massive Kritik: Peinbauer lässt anklingen, Hahn hätte eine Metaanalyse verfasst – und das ist ganz gewiss nicht der Fall. Mit dieser Arbeit hatten wir uns hier auf diesem Blog schon auseinandergesetzt. Zusammengefasst: Hahn kritisiert zwar die vorliegenden Metaanalysen zur Homöopathie von Shang, Cucherat und Ernst, dies soweit erkennbar auch mit einer gewissen Berechtigung, aber er führt keine eigene solche Studie durch. Er hat auch keine Neubewertung der Metaanalysen vorgenommen, sondern nur auf Fehlermöglichkeiten und die aus seiner Sicht nur wenig nachvollziehbaren Bewertungskriterien hingewiesen. Er hat noch nicht einmal abgeschätzt, wie groß der Einfluss der erkannten Mängel auf die erzielten Ergebnisse gewesen sein könnte – nichts, aber auch gar nichts ist neu entstanden, was den Eindruck rechtfertigen würde, den Peinbauer da lanciert, dass irgendwelche Erkenntnisse revidiert oder neu erreicht worden seien.

Peinbauers Zitat bezüglich der 90 % der wegzulassenden Studien ist in dem Aufsatz Hahns tatsächlich enthalten. Peinbauer vergisst aber zu sagen, dass die qualitativ minderwertigen Studien, die auch Hahn nicht in die Bewertung einfließen lassen würde, in diesen 90% enthalten sind. Dadurch entsteht beim Zuhörer ein völlig falscher Eindruck. Zur Illustration: Shang sortiert von 110 Studien 87 wegen mangelnder Qualität aus, also 79 %, was Hahn nicht in Zweifel zieht! Das heißt, die fragliche Menge sind nur 10 % der vorliegenden Studien. Die Frage der Prozente ist, wenn man die Zahlen im einzelnen betrachtet, sicher eine Diskussion um Lappalien – aber hier geht es um einen Auftritt in der Öffentlichkeit, die zum großen Teil nur über gefühlte Kenntnisse zur Homöopathie verfügt- und da ist es schon von Bedeutung, ob man einfach nur sagt, man müsse 90% der Studien weglassen, um zu einem negativen Ergebnis zur Homöopathie zu kommen – und dabei unerwähnt lässt, dass dies bei 80% der Studien auch gerechtfertigt war.

ab 2:16:

„Im Jänner diesen Jahres wurde hier in Wien ein sogenannter CEN-Prozess, das ist ein Standardisierungsprozess, begonnen, der dazu führen soll, die Ausbildung europaweit auf einen einheitlichen Standard zu bringen. Das ist ganz im Sinne des neuen Strategiepapiers der WHO, das auch im letzten Herbst, im November publiziert worden ist, das heißt ‚WHO Strategy in Traditional Medicine‘, ein Strategiepapier, das von 2014 bis 2023 geht, wo ganz explizit die Mitgliedsländer aufgefordert werden, im Bereich der Komplementärmedizin dafür zu sorgen, dass die Ausbildung, die Ausübung und auch die Arzneimittelprodukte gesetzlich geregelt werden.“

Hier endet die Videoaufzeichnung.

CEN ist die Europäische Behörde, die die europäischen Normen herausgibt, vergleichbar mit dem Deutschen Institut für Normung, dessen Normen bekanntlich als DIN xxx bezeichnet werden (z.B. ‚DIN 1943: Wärmetechnische Abnahmeversuche an Dampfturbinen‘). Auf Europäischer Ebene heißen die Normen dann EN xxx. Sofern sie auch in die nationalen Normen übernommen wurden, zusätzlich auch über Europa hinaus international gültig sind, werden die entsprechenden Bezeichner dazugeschrieben, also zum Beispiel ‚DIN EN ISO 9001 Qualitätsmanagementsysteme, Grundlagen und Begriffe‘.

In diese Welt nun möchte man seitens der Homöopathie eintauchen, vermutlich angeregt von den Osteopathen, bei denen es diese Bestrebung offenbar schon seit 2011 gibt, und die zwischenzeitlich einen Entwurf einer Norm erarbeitet haben (E DIN EN 16686:2014-01 Osteopathische Gesundheitsversorgung, Link).

Man wundert sich – warum wollen die Homöopathen das? Für die konventionelle Medizin findet sich in den Normen durchaus auch einiges – hier handelt es sich aber ausschließlich um Festlegungen für Materialien und Geräte sowie deren Prüfung. Sonst nichts. Die Vorgaben für die Ausbildung in den akademischen Heilberufen wird vom Bundesministerium für Gesundheit als Rechtsverordnung erlassen. Ich nehme an, in Österreich gibt es ähnliche Regelungen für die Ausbildung und Berufszulassung der Ärzte.

Meine Vermutung: Man möchte sich wohl auf diesem Wege den in der Homöopathie üblichen Binnenkonsens praktisch an Gesetzgebung und Ärzteschaft vorbei in einem übergreifenden und anerkannten Regelwerk festschreiben. Allerdings scheint man hier nicht sonderlich gut voranzukommen, denn die Österreichische Ärztekammer lehnt das Projekt der Normung strikt ab, was auch dieses Vorhaben der Normung von ‚Berufsausübung und Ausbildung von Ärzten, wenn sie Homöopathie anbieten‘ betrifft. (Link). Unter anderem wird dies damit begründet, dass jeder Interessierte sich  unabhängig von seiner Fachkompetenz an Normenvorhaben beteiligen kann. Es wäre somit den homöopathischen Ärzten (in Österreich gibt es keine Heilpraktiker) möglich, die ärztliche Selbstverwaltung (Ärztekammern) und die Autorität wissenschaftlicher Fachgesellschaften zu unterlaufen.

Nach etwas Suche im Internet findet man ein 76 Seiten starkes Strategiepapier der WHO, das auf die Beschreibung von Peinbauer passt (Link, Achtung, das Laden kann etwas dauern!) Dies scheint, soweit man das beim ersten Überfliegen feststellen kann, ein rechtes Giftpapier zu sein. Es befasst sich mit T&CM, was als Traditional and Compelementary Medicine zu verstehen ist. Die Ähnlichkeit zu TCM, der Traditional Chinese Medicine ist unverkennbar – und wird auch dadurch gefördert, dass das Projekt von der Chinesischen Regierung und der Regierung der Sonderwirtschaftszone Hong Kong finanziert wurde und in Zusammenarbeit mit dem WHO Collaboration Center for Traditional Medicine in Hong Kong entstanden ist.

Hiernach sollen die Mitgliedstaaten der WHO dazu verpflichtet werden, festzustellen, welche Rolle diese Medizinrichtungen in ihrem Land spielen und sie dann durch entsprechende Gesetzgebungsaktivitäten hinsichtlich der Produkte, der Ausübung und der Aus- und Weiterbildung verbindlich zu regeln. Insbesondere sollen diese Methoden in das öffentliche Gesundheitswesen integriert sowie die Anwendung in der persönlichen Gesundheitsvorsorge gefördert werden.

Was da alles gefördert werden soll, ergibt sich aus den Definitionen:

„Traditionelle Medizin:

Traditionelle Medizin hat eine lange Geschichte. Sie ist die Gesamtheit des Wissens, des Könnens und der Praktiken, die sich auf Theorien, Glaubensvorstellungen und Erfahrungen abstützen, wie sie verschiedenen Kulturen eigentümlich sind, ob erklärbar oder nicht, wie sie in der Gesundheitspflege, sowie zur Vorbeugung, zur Diagnose, Linderung und Behandlung von körperlichen oder mentalen Beschwerden angewendet werden.“

Da das offenbar noch nicht ausreicht, alles Mögliche, vorausgesetzt, es ist alt, in das Gesundheitssystem zu integrieren, wird noch ergänzt:

„Komplementärmedizin:

Die Begriffe ‚Komplementärmedizin‘ oder ‚Alternativmedizin‘ beziehen sich auf ein breites Spektrum von Heilpraktiken, die nicht Bestandteil der dem Land eigenen traditionellen oder der konventionellen Medizin sind und in das vorherrschende Gesundheitssystem nicht integriert sind.“

Also, Adepten von Klang- und Farbtherapien, Osteopathie, Chakren, Ayurweda und alle möglichen Zauber- und Hexereimethoden, kommet zuhauf, ihr alle sollt Euch im öffentlichen Gesundheitssystem ein gemütliches Plätzchen sichern!

Hier erübrigt sich der Kommentar.

Was bleibt also von der Rede?

Da blickt ein freundlicher und durchaus sympathisch wirkender Dr. Peinbauer in die Kamera, erzählt in wohlgesetzter Rede über die verschiedenen Aspekte, die geeignet sind, dass ein unvoreingenommener Zuhörer – oder Journalist – ein durchaus seriöses Bild von der Homöopathie und von deren Vertretern bekommt. Wie fadenscheinig dieses Gebäude aber ist, kann man erst erkennen, wenn man sich deutlich tiefer in die Hintergründe eingearbeitet hat, was sicher erheblich mehr Zeit in Anspruch genommen hat, als für die Rede selbst erforderlich war.

Dies ist alles PR mit wohlklingenden und überzeugend dargebrachten, aber irreführenden Inhalten.

Wo bleiben die Stimmen, die dagegenhalten?

Klar, da gab es als Lichtblick das ausführliche Review zur Wirksamkeit der Homöopathie aus Australien (Link) – aber, wer bringt das unter die Leute, ähnlich werbewirksam wie die obigen Beispiele? Wir schreiben uns die Finger wund in Rezensionen, Internetforen und Blogbeiträgen – aber man braucht etwa zwei Tage intensiver Recherche, um eine dreiminütige Rede zu hinterfragen. Dabei vergeht kaum ein Tag, in dem man im Google nicht eine neue Ankündigung für einen ganzen Vortrag über die Segnungen der Homöopathie findet.

Nochmal, wo bleiben die Stimmen, die dagegenhalten? In Fernsehbeiträgen und Fernsehdiskussionen entscheiden nicht die Argumente, sondern der Zuschauer beurteilt die Stichhaltigkeit der Argumente eher danach, wie sympathisch und kompetent der jeweilige Vertreter rüberkommt – was schon an den emotionalen Mitteln scheitern kann, die die Gegenseite einsetzt – und an der Parteilichkeit von Moderatoren – was sicher auch wieder auf der emotionalen Schiene ausgelöst wird.

Wie bei der Hydra erreichen wir nicht viel, wenn wir uns nur mit den Köpfen befassen, die sich aus immer wieder neuen Hälsen emporrecken. So geht es nicht weiter, es müssen eigene hoffentlich wirksamere Methoden angewandt werden, Zuhörer zu gewinnen und zu überzeugen.

Ich halte es daher für sinnvoll, öffentlich Vorträge zu halten und über die Grundlagen der Homöopathie zu informieren. Der erste Vortrag wird, organisiert von der Freiburger Ortsgruppe der GWUP, voraussichtlich am 26. Juni 2014 in einem Hörsaal der Universität Freiburg stattfinden. Dabei soll es um die folgenden Aspekte gehen:

  • Herstellung homöopathischer Arzneimittel (Vorführung am Objekt)
  • Wirkungsweise homöopathischer Arzneien im Spiegel der Wissenschaft
  • Gründe für positive Erfahrungen mit der Homöopathie

Ich könnte mir vorstellen, danach auch andernorts in dieser Richtung tätig zu werden.

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19 Antworten zu Die Homöopathie-Hydra

  1. borstel sagt:

    Noch mal kurz ich: Falscher Link meinerseis – hier ging es ums Impfen… ziemlich genau ein Jahr nach der hier besprochenen Sendung… war aber auch mit mehr als einer Homöopathin besetzt. Frau Schlingensiepen ist leider sowohl bei ARD, als auch Youtube nicht (mehr) vorhanden (mein Kommentar kann gerne wieder gelöscht werden).

  2. Norbert Aust sagt:

    Huch – und Danke!

    Ich habe hier ein Programm laufen, das nach fehlerhaften Links fahnswt – aber diesen hat es nicht angezeigt.

  3. borstel sagt:

    Hallo Herr Aust, ich noch mal: Der Link von „Hart aber fair“ ist erloschen – hier der Beitrag bei Youtube (bitte um Verzeihung für meine Zwanghaftigkeit, für funktionierende Links zu sorgen): https://www.youtube.com/watch?v=O5YXHjwS4Qw – auch wenn die Auseinandersetzung in der Sendung schwer verdaulich ist, sollte er doch leicht verfügbar sein. Wenn schon nicht als „audiatur et altera pars“, dann doch zumindest, um seine Gegner noch besser kennen zu lernen.

  4. Pingback: Ist Homöopathie wirkungslos? Natürlich, daran ändert auch Professor Robert Hahn nichts @ gwup | die skeptiker

  5. Wissenschaftliche Beweise für die Wirkung der Homöopathie sagt:

    Kommentar gelöscht, da er in keinem sinnvollen Zusammenhang zum zugehörigen Blogbeitrag steht und auch Werbematerial enthielt.

  6. Christian Becker sagt:

    Sehr scöner Artikel. Mehr Aufklärung in der Bevölkerung darüber, was Homöopathie ist, kann sicher nicht schaden. Bei der Mutter meiner Freundin hat es geklappt – wie so viele wusste sie gar nicht, dass Homöopathie nicht das gleiche ist wie Phytotherapie (und passenderweise war das homöopathische Mittel dann auch gar nicht homöopathisch sondern pflanzlich). Nach einer Erklärung der „Funktionsweise“ der Homöopathie war sie ganz erstaunt und meinte, dass sie das für unsinnig hält.

    Wenn mehr Leute dafür sensibilisiert werden, lässt sich vielleicht auch erreichen, dass der Zulauf zur Homöopathie abnimmt.
    Ich sehe dennoch gewisse Probleme:
    Manche Krankenkassen übernehmen die Kosten → Vermittelt den Eindruck, dass das Ganze doch vielleicht seriös ist
    Werbung in Apotheken (TV? Ich schaue fast nie TV und dann ohne Werbung) → Vermittelt ebenfalls den Eindruck, dass das ganze seriös ist
    Homöopathika sind apothekenpflichtig → Verstärkt den Eindruck der seriosität weiter
    Anekdotische Evidenz → Der Einfluss von Bekannten, die vermeintlich Erfolg mit Homöopathie erzielt haben, ist größer, als wenn sich so ein „Besserwisser“ hinstellt, und erklärt, warum die Homöopathie nicht funktioniert. Zumal es ja „mehr Dinge zwischen Himmel und Erde gibt usw.“

    Zu allem Überfluss sind Apotheken nur zu gern bereit, Homöopathika zu verkaufen. Zwar wird die Homöopathie im Pharmaziestudium eher belächelt und nur immer mal wieder am Rande erwähnt (zumindest in Mainz, wo ich studiere) – wenn man als Inhaber einer Apotheke später aber merkt, dass sich das Zeug gut verkaufen würde, oder schlimmer noch, wenn man als Angestellter eventuell reglementiert wird, weil man z.B. von Homöopathika abrät. Ich weiß nicht, was angeblich gegen Kopfschmerzen wirkt (vermutlich alles, weil gerade bei Schmerzen der Placeboeffekt ja sehr ausgeprägt ist). Aber es ist sicherlich interessanter für die Apotheke ein Fläschchen Globuli für ca. 10€ zu verkaufen als eine Packung Paracetamol für ca. 2€.

    Dennoch bin ich mir sicher, dass Aufklärungskampagnen nicht schaden können.

  7. Pingback: “Scientabilität” oder klinische Evidenz – oder beides? @ gwup | die skeptiker

  8. Jochen Machatschke sagt:

    Mein Hintergrund: E-Technik Ing., Vater von 2 Kindern. Beide hatten ein kleineres gesundheitliches Problem, dass wir zuerst mit homöopathischen Mitteln behandeln lassen wollten. Ich hatte mich noch nicht damit beschäftigt. Als sich nach Monaten des herumprobieren nichts tat und die Probleme schlimmer wurden, startete ich die Recherche und stieß u.a. auf Ihr Buch. Aus eigener Erfahrung: falsches Wissen ist weit verbreitet. Ich nehme nicht wahr, dass das korrigiert werden würde, das Falsche wird öffentlich jedoch ständig genährt. Ich wünsche Ihnen deshalb viel Erfolg bei dem Vortrag, der hoffentlich nicht der einzige bleibt!

  9. Norbert Aust sagt:

    dass stimmt aber mit keinem der vielen Repertorien überein

    Genau das kann aber niemand sagen. Es gibt Dutzende von Repertorien mit Tausenden und Abertausenden von Symptomen. Der Nachweis der Nichtexistenz ist hier ebenfalls nicht führbar. Man bedenke, dass ja nur einfache Symptome kommen werden, die zu Hunderttausenden verzeichnet sind (Kopfweh, Wärmegefühl, Schuhdrücken…). Die speziellen Symptome (‚Kopfweh als wäre Billiardkugel linksseitig im Gehirn, beim Bücken nach 23 Uhr besser werdend, aber nicht wenn es regnet sondern nur bei Frost, nach dem Genuss von frischen Mango schlimmer werdend, sofern auf der rechten Seite gekaut‘) die kommen ja totsicher nicht.

    Wenn schon, dann müsste man mit Homöopathen eine Wette abschließen: Ich beschaffe fünf Homöopathika in Hochpotenz, entferne die Etiketten, und die Homöopathen müssen rauskriegen, um welche Medikamente es sich dabei handelt. Aber das passt nicht in den Vortrag.

  10. Jochen Machatschke sagt:

    Hallo Frau Parsch,

    ich kenne natürlich das zu erwartende Auditorium nicht, es könnte aber gemischt sein: Einerseits die technisch/naturwissenschaftliche Fraktion, die Verständnis für eine wissenschaftliche Herleitung von Sachverhalten hat und andererseits vielleicht Leute wie die, mit denen ich mich viel zu oft in Diskussionen verwickeln lasse. Diese Leute denken, Sie wären Experten auf dem Gebiet der Homöopathie und hätten damit die Medizin, die Naturwissenschaften und die Naturgesetze hinter sich gelassen. Dann haben die sich noch ein schlaues Buch erkauft und einen VHS-Kurs absolviert. Was ist schon die Wissenschaft?

    Sie haben mit Sicherheit Recht, es wird aber zu häufig mit unterschiedlichen Waffen gekämpft. Diese Waffen sind in meinen Augen oft die Ausdrucksweise auf verschiedenen Ebenen. Die Argumente der Wissenschafts-Seite hören sich entweder für den Laien unverständlich an, oder sie sind schwammig: „kann nahezu ausgeschlossen werden“ – „nicht bewiesen“ – „würde den Naturgesetzen widersprechen“. Ja und? Dann sind die eben falsch. Die Homöopathen behaupten einfach „Sanft“, „Natürlich“, „Wirkt!“. PR-technisch scheinen mir die Homöopathen da erfolgreicher zu sein. Für diese Art von Argumenten sind leider viele Laien sehr anfällig. Und davon gibt eine breite Basis in der Gesellschaft, viel mehr, als Leute mit dem Verständnis für naturwissenschaftliche Argumente. Die Basis scheint mir so breit, dass ich mir in der Minderheit vorkomme. Siehe die Online Petition, die relativ wenige Stimmen erhalten hat. Stellen Sie sich eine Online-Petition pro Homöopathie vor. Wie wäre da wohl die Teilnahme-Quote?

    Wenn es nun aber so wäre, dass den Teilnehmern während der Veranstaltung selber klar wird, dass die Behauptungen der Homöopathie nicht zutreffen, sondern frei erfunden sind, dann wäre es ein Volltreffer. Das war meine Idee mit dem kleinen „Medikamententest“. („Nimm dieses und was spürst du? Na, sowas, dass stimmt aber mit keinem der vielen Repertorien überein. Danach werden die Mittel aber ausgesucht…“) Natürlich meinte ich damit keine echten Homöopathika, sondern wirklich „Zuckerkügelchen“. (Wobei: Wo ist da eigentlich der Unterschied 😉 )

    Ob das Sinn macht – keine Ahnung, aber ich habe keine Lösung für die Diskussionen in unterschiedlichen Welten…

  11. Norbert Aust sagt:

    Hallo Herr Machatschke,

    danke für Ihre Anregungen. Die Konzeption dieses Vortrags steht noch ganz am Anfang. Allerdings ist mir schon klar, dass ich diesen nicht als Diskussion mit homöopathischen Ansichten gestalten will, also eben nicht auf die Argumentation der Gegenseite eingehen möchte. Dies würde die Notwendigkeit bedingen, diese Argumente zu wiederholen – und ein Publikum, das sie vielleicht noch nicht kennt, würde erst darauf aufmerksam. Wie Sebastian Herrmann in ‚Starrköpfe überzeugen‘ schreibt, hätte dies womöglich sogar einen kontraproduktiven Effekt. Spätere Argumente von Homöopathen würden als schon einmal gehört wiedererkannt – was zu einer höheren Glaubwürdigkeit der Homöopathie führt.

    Es kann somit nur darum gehen, die Vorgehensweisen der Homöopathie darzustellen und ihre Widersprüchlichkeit aufzuzeigen. Wie gesagt, es wird noch etwas dauern, bis der Vortragsinhalt steht.

  12. Ute Parsch sagt:

    „In meinen Diskussionen vermeide ich immer die Argumentation “wissenschaftlich nicht bewiesen”,…“

    Das ist ja auch durchaus deshalb vernünftig, weil man damit den Homöopathen schon ein bis zwei Schritte entgegen gekommen ist. Das eigentliche Argument lautet ja anders:

    Naturwissenschaft beweist nicht, sie widerlegt. Die Frage muss also lauten, ob es im gesicherten Wissen Aussagen gibt, die den Grundpfeilern der Homöopathie (Potenzierung und Ähnlichkeitsprinzip) explizit widersprechen. Und die gibt es zuhauf.

    Sehr viele fundamentale Aussagen der Atomphysik, der Quantenmechanik, der Thermodynamik, der Chemie, der Pharmazie und der Biologie wären falsch, grob unvollständig oder nur rein zufällig richtig. Unsere gesamte Naturwissenschaft, die sich in technischen Anwendungen bestens bewährt, stünde auf tönernen Füßen – ohne (und das ist für das Argument sehr wichtig) dass wir im Alltag auch nur das Geringste davon bemerken.

    Verdünnen und Verschütteln sind profane, allgegenwärtige und auch in der Natur dauernd auftretende Prozesse. Naturphänomene sind aber nicht auf die Räumlichkeiten der Homöopathiehersteller beschränkt. Gäbe es unbekannte Kräfte, die diese ausnutzen, so würden diese Phänomene überall und bei allen Verdünnungsprozessen wirksam sein. Wir beobachten aber nichts in diese Richtung. Wir beobachten auch keine Hinweise, dass unsere naturwissenschaftlichen Erkenntnisse falsch sind. Es gibt überhaupt kein einziges Messverfahren, das eindeutige, stichhaltige und reproduzierbare systematische Hinweise auf die Richtigkeit der homöopathischen Behauptungen gibt. Und das trotz intensivster Bemühung darum.

    Damit kann man die Aussagen der Homöopathie im besten Popperschen Sinne als widerlegt betrachten. Und das ist etwas ganz anderes als “wissenschaftlich nicht bewiesen”.

    Und: Die sogenannte „Homöopathieforschung“ versucht in keiner Weise, dieses Problem anzugehen. Es werden meist Add-On oder Versorgungsstudien ohne Placebovergleich gemacht. Diese messen nichts als Placeboeffekte, Outcome und Kundenzufriedenheit. Die Arbeiten sind weder auf eine Klärung der Widersprüche zu den Naturwissenschaften ausgerichtet, noch auf eine Klärung der inneren Widersprüche, die die Homöopathie ebenfalls zuhauf hat. Fehlerhafte Studien werden zudem nie zurückgezogen. Kritik wird ignoriert. Das ist keine Forschung – das ist Ablenkung vom eigentlichen Problem.

    „Wie wäre es mit einem Aufruf zu einem Test: Das Auditorium soll über Wochen jeden Tag Zuckerkügelchen nehmen und aufschreiben, was sie erleben.“

    Eine AMP mit dem Auditorium? Das halte ich für problematisch.
    Man darf hier Noceboeffekte nicht vergessen.
    Wer erwartet, Symptome zu entwickeln, der entwickelt auch welche. Allein schon dadurch, dass er sich genauer beobachtet.
    Der Laie ist ja gerade deshalb für die Homöopathie so anfällig, weil der „Cum hoc ergo propter hoc“ Fehlschluss so suggestiv ist. In bester Homöopathenmanier würde man alles, was nach der Einnahme geschieht, der Einnahme zuschreiben. (Und das schließt noch nicht einmal die Anwesenheit von Homöopathen ein, die dann „natürlich“ heftige, typische Symptome bekämen…)

    Besser wäre es, dem Auditorium zu sagen, es bekäme Globuli, man würde also eine AMP durchführen. Und alle kriegen leere Kügelchen, also Placebos.
    Das würde dann klar machen, wie stark der Placeboeffekt wirkt. So wie es Aronoff mit seinen Studenten gemacht hat. – Ab 3:38 kann man es in diesem Video sehen:
    https://www.youtube.com/watch?v=mNoRxCRJ-Y0

    „Tausende von Kügelchen auf einmal zu nehmen ist lt. Homöopathen eh wirkungslos…“

    Auch hier folgen Sie ein wenig den Immunisierungsversuchen der Homöopathen gegen 10^23-Aktionen. Das ist allerdings nicht ganz richtig. Im Organon findet sich diese Aussage nämlich nicht, im Gegenteil. In §32 heißt es
    „Jede wahre Arznei wirkt nämlich zu jeder Zeit, unter allen Umständen auf jeden lebenden Menschen und erregt in ihm die ihr eigenthümlichen Symptome (selbst deutlich in die Sinne fallend, wenn die Gabe groß genug war), so daß offenbar jeder lebende menschliche Organism jederzeit und durchaus (unbedingt) von der Arzneikrankheit behaftet und gleichsam angesteckt werden muß“

    Ein tagelanges „in sich rein zu hören“ ergibt im Rahmen von AMPs lediglich größere Chancen, dass irgendetwas im Studienzeitraum geschieht. Im Organon steht explizit, dass eine „wahre Arznei“ immer und unter allen Umständen Symptome erzeugt.

  13. Jochen Machatschke sagt:

    Solange hunderte von Leuten falsche und ungesicherte Informationen an den Volkshochschulen dieser Welt verbreiten, wird stetig der Gedanke gefestigt, Homöopathika könnten irgendwas bewirken. Die Initiative von Ihnen, Herrn Aust, Vorträge an Hochschulen zu halten, ist klasse, jedoch zu wenig. Es steht einer gegen hunderte. So wird das falsche Gedankengut kaum zurückgedrängt. Wir bräuchten mehr von diesen Aktionen. Kann die GWUP dort unterstützen? Ist die Presse informiert?

    Bei den Vorträgen würde ich mich freuen, wenn sie die Gedankenwelt – wenn es auch schwer fällt – der Homöopathie-Anhänger berücksichtig. In meinen Diskussionen vermeide ich immer die Argumentation „wissenschaftlich nicht bewiesen“, da das Gegenargument der H.-Anhänger dann immer ist: „Tja, wenn die Wissenschaft noch nicht so weit ist, dann macht erst einmal Hausaufgaben.“ Wenn etwas hilft, ist es egal, ob es bewiesen ist. Das Argument verpufft. Ich denke, es kommt auf ein Wording an, das auch Homöopathie-Anhänder annehmen können. Wie wäre es mit einem Aufruf zu einem Test: Das Auditorium soll über Wochen jeden Tag Zuckerkügelchen nehmen und aufschreiben, was sie erleben. Danach gibt es eine Diskussion, was aufgeschrieben wurde und was die Teilnehmern überhaupt erhalten haben. Tausende von Kügelchen auf einmal zu nehmen ist lt. Homöopathen eh wirkungslos, die Mittel tagelang zu nehmen und in sich rein zu hören ist weniger angreifbar.

    Ich begrüße diese Art der Aufklärung ausdrücklich. Werden sie den Vortag als Video online stellen?

  14. Pingback: Homöopathie im “Merkur” @ gwup | die skeptiker

  15. Norbert Aust sagt:

    Der Mann heißt Dr. Peinbauer. Danke für den Hinweis, der Beitrag wurde korrigiert.

  16. Harry_X sagt:

    Peindörfer oder Peinbauer? Bitte entscheiden, wie er wirklich heißt

  17. J. Mattes sagt:

    Ein Problem sehe ich darin, dass in der Homöopathiekritik oft an die eigene Argumentation nicht die gleichen Maßstäbe angelegt werden, die von anderen (zu Recht!) verlangt werden.

    Konkret für „Scientabilität“ siehe: Scientabilität – eine Antwort auf Homöopathie?, erscheint in ZEFQ: http://authors.elsevier.com/sd/article/S1865921714000889

    Dazu dann noch die kritiklose Huldigung der „Scientabilität“ im „Skeptiker“ Dezember 2013. Mein Kommentar dazu hier:
    http://www.mat.univie.ac.at/~mattes/PDF/sextus_und_die_vier_dogmatiker.pdf

  18. Norbert Aust sagt:

    Der Einfachheit verweise ich auf diesen Artikel, der sich intensiv mit dem Konzept der Scientabilität beschäftigt: http://www.beweisaufnahme-homoeopathie.de/?p=1513

  19. ajki sagt:

    „… um die Vergabe knapper Forschungsmittel geht, dann stehe ich voll und ganz hinter dem Konzept der Scientabilität, wie es Christian Weymayr konzipiert hat …“

    In Ihrer neulichen Blog-Beschäftigung mit dem Thema hatte ich Sie anders verstanden. Ich hatte mich schon ein klein wenig gewundert, weil ich selbst aus dem Verständnis des Buchabschnittes von Weymayr keine andere Intention ableiten konnte als diejenige, die Sie hier als unterstützungwürdig befinden.

    Ich persönlich bin der Meinung, dass nur das Beharren auf „institutioneller Scientabilität“ (gäbe es sie denn…) eine kleine Chance auf eine einigermaßen langfristige Verhinderung von endlosem Verschwenden von öffentlichen Mitteln bietet.

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