An das EU-Parlament: Homöopathika sollen keine Tierarzneimittel sein

Die EU plant, das Tierarzneimittelrecht zu reformieren. Dazu kommt vermutlich im April eine Verordnung im Europäischen Parlament zur Abstimmung, gegen die die Homöopathen übrigens schon eine Petition mit 50.000 Unterschriften lanciert haben. Man will erreichen, dass der Deutsche Bundestag beschließt, wie die deutschen Abgeordneten in Brüssel abstimmen. Nun ja, von der Verfassung verstehen sie also auch nichts.

Aber: Bevor Sie weiterlesen: Haben Sie schon die ‚Freiburger Erklärung zur Homöopathie‘ gelesen? Und unterzeichnet? Wenn nicht: Hier entlang bitte.

Hier ist diese Petition der Homöopathen. Man freut sich auch riesig, dass man das Quorum geschafft hat – mal sehen, wie sie reagieren, wenn sie feststellen, dass dies ziemlich bedeutungslos ist. Das würde nämlich nur bewirken, dass die Verhandlung im Petitionsausschuss des Bundestages öffentlich geführt wird – wenn der Petitionsausschuss sich dran hält, was er nicht muss. Dann wird das aber auf jeden Fall sehr kurz, denn Abgeordnete, in Berlin wie in Brüssel, sind nur ihrem Gewissen unterworfen – theoretisch jedenfalls.

Der Unmut der Homöopathen richtet sich dagegen, dass in dem neuen Gesetz festgeschrieben wird, dass nur solche Arzneimittel bei Tieren angewendet werden dürfen, die dafür auch zugelassen sind. Die ‚armen kleinen Hersteller‘ der Homöopathika können sich den finanziellen Aufwand wahrscheinlich nicht leisten – war allen Ernstes zu lesen.

Mein Unmut richtet sich allerdings dagegen, dass es für die Homöopathie wieder das gleiche Schlupfloch geben soll wie in der Humanmedizin, nämlich dass die Mittel nur registriert werden müssen und von der Pflicht, die Wirksamkeit nachzuweisen, befreit sind.

Dagegen habe ich einen Brief an alle deutschen Mitglieder des EU-Parlaments geschrieben, allerdings ohne allzuviel Hoffnung, tatsächlich noch etwas zu bewirken, denn das Verfahren ist schon recht weit fortgeschritten.

Aber, man weiß ja nie …

—–

(An die deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments)

[Anrede][Name]

wir bitten Sie hiermit, unser Anliegen bei Ihrer Arbeit als deutsches Mitglied des Europäischen Parlaments zu unterstützen. 

Unser Anliegen:

Die EU-Kommission hat einen Vorschlag für eine Verordnung über Tierarzneimittel (2014) KOM 558 eingereicht, die unseres Wissens noch im April zur Abstimmung gebracht werden soll. Mit dieser Verordnung soll erreicht werden, dass in der Veterinärmedizin nur für die Anwendung bei Tieren zugelassene Arzneimittel zur Anwendung kommen.

Grundsätzlich ist der Intention des Vorhabens zuzustimmen.  Jedoch werden in den Artikeln 88 bis 90 Sonderregelungen für die Registrierung homöopathischer Präparate getroffen, worin auf einen Nachweis der Wirksamkeit verzichtet wird. Stattdessen wird ein Verfahren festgelegt, das bereits ähnlich im Bereich der Humanmedizin verankert ist.

Wir bitten Sie, diesem Verordnungsentwurf nicht zuzustimmen. Auch eine Streichung dieser Artikel vorzunehmen, ist nicht zielführend, da damit nur ein rechtsfreier Raum geschaffen wird. Wir bitten Sie im Gegenteil, darauf hinzuwirken, dass ein Passus aufgenommen wird, der darauf hinweist, dass die Behandlung von Tiererkrankungen mit homöopathischen Präparaten dem Gedanken des Tierschutzes zuwider läuft.

Begründung:

Bei der Homöopathie handelt es sich um eine Heilslehre, deren Gedankengebäude 200 Jahre alt ist und somit unverändert aus vorwissenschaftlicher Zeit stammt. Die Existenz der Grundannahmen konnte noch nie in einer wissenschaftlichen Standards genügenden Untersuchung nachgewiesen werden. Ebenso gibt es keine Nachweise, die eine Überlegenheit der Wirkung solcher Mittel gegenüber Placebo belegen. 

Beim Menschen beruht der Erfolg der Homöopathie entweder auf einem Placeboeffekt oder auf einer fehlerhaften Zuordnung eines vermeintlichen Behandlungserfolgs bei einer selbstlimitierenden Erkrankung zur Wirkung eines eingenommenen Homöopathikums. 

Da Homöopathika nicht kausal wirken können, gleicht eine homöopathische Behandlung eines Tieres im Effekt der Situation, dass keine Behandlung durchgeführt wurde. Menschen würden dies bei sich im weiteren Verlauf dadurch bemerken, dass die Probleme nicht verschwinden. Tieren hingegen fehlt die Möglichkeit, dies ihren Haltern angemessen zum Ausdruck zu bringen, zumal das Konzept der Erstverschlechterung zur homöopathischen Lehre gehört. Hiernach stellt eine Verschlechterung des Befindens nicht notwendigerweise eine Komplikation dar, sondern wird im Gegenteil oft als Beweis einer einsetzenden Wirkung gesehen. Das Tier ist einzig und allein darauf angewiesen, dass sein Halter die Anzeichen im Verhalten richtig deutet, was angesichts der abstrusen Prinzipien der Homöopathie mit einem nicht unbeträchtlichen Risiko der Fehlinterpretation behaftet ist. Dass die Homöopathie oftmals auch von Tierheilpraktikern und Tierhomöopathen ausgeübt wird, die keinerlei Qualifikation nachweisen müssen – bei denen es sich also um Laien handeln kann – verschärft dieses Risiko noch erheblich.

Man kann mit einer gewissen Berechtigung einwenden, dass eine Fehlbehandlung mit Homöopathika einer Fehlbehandlung mit anderen Arzneimitteln, insbesondere Antibiotika, vorzuziehen ist. Allerdings erscheint es sinnvoller, durch geeignete Maßnahmen auf eine sachgerechte Anwendung wirksamer Therapien hinzuwirken, als ein problematisches Verhalten durch ein anderes zu ersetzen.

Konsequenz: 

Homöopathie darf nicht im Tierarzneimittelrecht verankert sein, da sie nicht der Tiergesundheit dient, sondern ein beträchtliches Risiko beinhaltet, dass das Leid von Tieren wächst.

Wer wir sind:

Wir sind ein Zusammenschluss aus bislang 60 Ärzten und Tierärzten, Apothekern, Biologen, Naturwissenschaftlern und anderen engagierten Privatpersonen aus Deutschland und Österreich, die Ende Januar 2016 das Informationsnetzwerk Homöopathie gegründet haben. Unsere Sichtweise und Ziele haben wir in unserer ‚Freiburger Erklärung zur Homöopathie‘ veröffentlicht, der sich bereits in den ersten Tagen über 600 weitere Personen namentlich durch Unterschrift angeschlossen haben. Zu Ihrer Information finden Sie ein PDF dieses Textes als Anlage zu diesem Schreiben, die Unterschriftenliste ist unter diesem Link zu finden:

http://www.gwup.org/inhalte/79-aktuelles/nachrichten/1754-freiburger-erklaerung

Wir bedanken uns für Ihre Unterstützung.

Verfasser:

Dr. Norbert Aust, 26.02.2016


Unterzeichner:

Edzard Ernst, Emeritus Professor, Universität Exeter, UK
Prof. Norbert Schmacke, Institut für Public Health und Pflegeforschung, Universität Bremen
Dr. rer. nat. Christian Weymayr, freier Medizinjournalist    

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11 Antworten zu An das EU-Parlament: Homöopathika sollen keine Tierarzneimittel sein

  1. ringo74 sagt:

    @Carina:

    Ich finde es ja nett das sie sich mir anschließen. Aber mein Kommentar bezog sich auf den Kommentar von „Ich“: „Statt dessen werden aber die Mittel für den Menschen 1:1 auf das Tier übertragen. Wie ist sichergestellt, dass das zulässig ist?“

    Die Tatsache, dass die Homöopathen keine Argumente haben wird oft mit „Wer heilt hat Recht“ kaschiert. Das das Unsinn ist und vor allem warum hat Herr Aust ja schon geschrieben.

    Nur so als Beispiel: In der Frage: „Können Elefanten fliegen“ ist das „Argument“ „Wer fliegt hat Recht“ zwar nicht falsch aber eben quatsch.

  2. Norbert Aust sagt:

    Wir zwingen auch niemanden, sich nicht homöopathisch behandeln zu lassen. Wir wollen, dass die Sonderstellung der Homöopathie, die ein Anachronismus ist, beendet wird. Besonders, dass die Homöopathie davon befreit ist, ihre Wirksamkeit nachweisen zu müssen.

    Wer heilt hat Recht, sagen Sie. Aber:
    – Woher weiß man, wer (oder was) geheilt hat?
    – Woher weiß man, ob überhaupt geheilt wurde?
    – Woher weiß man, ob überhaupt eine Krankheit vorgelegen hat?

  3. Carina sagt:

    wie wär es einfach mit Leben und Leben lassen.
    Es ist keiner gezwungen sich homöopathisch behandeln zu lassen und
    es gibt eine freie Wahl sich einen Arzt, Heilpraktiker oder Tierheilprkatiker zu suchen.
    Schwarze Schafe gibt es auf beiden Seiten was ich am eigenen Leib schon erfahren musste und mir mehrmals erst die Homöopathie oder die Akupunktur weiter geholfen hat wo die Normal Medizin versagt hat.
    Ich schliessse mich Ringo an mit
    WER HEIlT HAT RECHT

  4. Ich sagt:

    Danke. Bin dann mal weg zum Lesen 🙂

  5. Norbert Aust sagt:

    Ich hatte mich hier im Blog schon mehrfach mit der Tierhomöopathie auseinandergesetzt:

    hier und hier und hier

  6. ringo74 sagt:

    @Ich:
    Stimmt. Im Zweifelsfall ist die Antwort immer „Wer heilt hat Recht“.

  7. Ich sagt:

    Die Tierhomöopathie hat einen „Binnenfehler“, der meiner Meinung nach viel zu wenig Beachtung findet:

    Basis der Homöopathie ist die Arzneimittelprüfung, damit das ganz individuelle Mittel zu den ermittelten Symptomen gefunden werden kann. Also muss man folglicherweise mit jeder Tierart eigene Arzneimittelprüfungen durchführen. Statt dessen werden aber die Mittel für den Menschen 1:1 auf das Tier übertragen. Wie ist sichergestellt, dass das zulässig ist?

  8. Burghard Gust sagt:

    Sehr geehrter Herr Aust,
    Verzeihung bitte,ich hätte gleich nachschauen sollen, von wem die
    Initiative (o.a.),stammt-hätte es mir auch denken können.
    Die Fachzeitschrift Reiten St.Georg hat wie gesagt in der Sache einen Blog.
    Ich habe ein paar sehr klare Worte dazu geschrieben…und die übliche Antwort
    bekommen (Anschauen und Schmunzeln).
    Mal schauen,ob sich die Dame auf eine Diskussion einläßt 🙂

    Der St Georg ist übrigens wirklich ein sorgsam recherchierendes Blatt,,
    wenden Sie sich an die Redaktion und Sie bekommen mit Sicherheit eine
    Debatte in Gang,die Redaktion weiß,wieviel Profit in der Pferdeszene
    mit Ho. und Esotherik gemacht wird,diese Leute sind immer offen
    für Logik und notfalls auch selbstkritisch.

  9. Rolf Wagels sagt:

    Wunderbar!

  10. Sigrid Weingartshofer sagt:

    Unnötiges Leiden kann so verhindert werden!

  11. Pingback: Die Homöopathie-Debatte zieht immer weitere Kreise – bis zur EU, bis in die USA @ gwup | die skeptiker

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