Homöopathie und ADHS – Studie von Lamont (1997)

Lamont veröffentlichte 1997 einen Bericht über seine Untersuchungen zur Wirkung homöopathischer Medikamente bei Kindern mit ADHS [1]. Er kommt dabei zu der Schlussfolgerung, dass seine Daten die Ansicht stützen, Homöopathie sei eine wirksame Therapie bei ADHS.

Der im Volltext im Internet verfügbare Bericht ist nicht so ganz einfach zu analysieren, denn er wartet mit vergleichsweise wenig informativen Gehalt auf und dieser ist dann auch jeweils über den ganzen Bericht verstreut. Aber, dass der Bericht reichlich unprofessionell wirkt, sagt noch nichts über die Qualität der Ergebnisse aus. Daher werden wir diese Studie eingehend betrachten.

Vorgehensweise

Die Beschreibung des Vorgehens ist etwas beschwerlich, weil man sich die Informationen aus verschiedenen Teilen des Textes zusammensuchen muss. Dann ergibt sich etwa folgendes Bild:

Lamont führte seine Untersuchungen an Kindern aus, die ihm zur psychologischen und neuropsychologischen Beurteilung in seine Praxis als …. (tja, als was eigentlich?) in … (tja, wo eigentlich?) überwiesen wurden. Kinder, bei denen die Symptome mindestens den in der DSM IV angegebenen Kriterien entsprachen, wurden in die Studie aufgenommen. DSM IV ist ein Handbuch der Amerikanischen Psychiatrischen Vereinigung, in dem die Kriterien für die verschiedenen seelischen Krankheiten beschrieben sind. In [2] findet man eine Zusammenstellung der Kriterien für ADHS.

35 % der Kinder waren Schwarze, 47% waren Mexikaner, 18% Weiße, sie lebten in Pflegeheimen oder bei ihren Familien unter der Aufsicht von Sozialarbeitern. Das Durchschnittsalter betrug zehn Jahre. Sechs der Kinder erhielten Ritalin und zeigten dennoch Symptome von ADHS, drei davon verließen allerdings die Studie vorzeitig, da die Dosierung im Verlauf geändert worden war. Viele der Kinder, die in Pflege lebten, waren traumatisiert und hatten zuvor phyische Gewalt und sexuellen Missbrauch erlebt.

Die Kinder wurden nach der Reihenfolge, wie sie an die Praxis überwiesen wurden, abwechselnd zur Placebo- oder Homöopathiegruppe zugeteilt. Die Eltern oder die Betreuer und die Kinder selbst wussten nicht, zu welcher Gruppe sie gehörten. Überhaupt wurde den Betreuern nicht mitgeteilt, dass in der Untersuchung auch Placebos zum Einsatz kommen, um Verfälschungen zu vermeiden. Diese seien nach Ansicht des Autors zu befürchten, wenn die Betreuer vermuteten, dass ihre Kinder nur Placebos erhielten. Leibliche Eltern hingegen schienen da nicht so empfindlich zu sein. Dies ist etwas schwierig nachzuvollziehen, denn der Autor unterscheidet manchmal zwischen Eltern und Betreuern (‚parents and carers‘), an anderer Stelle umfasst der Begriff ‚carer‘ offenbar Eltern und Betreuer zusammen.

Die Kinder erhielten alle eine Erstanamnese in ihrer Wohnumgebung und bekamen individuelle homöopathische Medikamente verordnet. Diese Medikamente wurden als Postpaket angeliefert, entweder das tatsächliche Medikament oder ein Placebo. Von diesem Medikament, durchweg Potenz C200, wurden fünf Tage lang sechs Tabletten eingenommen, bzw. bis sich eine fühlbare Änderung ergab. Zehn Tage nach der Einnahme des Medikaments wurden Eltern und Betreuer vom Studienleiter telefonisch nach dem Ergebnis abgefragt, wobei eine Bewertungsskala mit fünf Optionen verwendet wurde (viel schlechter – etwas schlechter – unverändert – etwas besser – viel besser) die mit Punkten von -2 bis +2 verbunden war.

Sofern sich bei den Kindern in der Homöopathiegruppe keine Veränderung zeigte, wurde ein neues Medikament ausgewählt und verabreicht. 10 Tage nach der Einnahme wurde dann wieder der Befund der Eltern / Betreuer abgefragt. Hatte sich bei Kindern aus der Homöopathiegruppe immer noch nichts getan, dann wurde ein drittes Medikament ausgewählt, verabreicht und der Befund nach weiteren 10 Tagen erneut abgefragt.

Irgendwann, der Zeitpunkt ist nicht beschrieben, erhielten auch Kinder aus der Placebogruppe – es ist nicht klar, ob alle – ebenfalls homöopathische Medikamente, verbunden mit der Abfrage nach dem Befund 10 Tage später. Sofern sich da auch nichts getan hatte wurde ebenfalls ein neues Mittel gewählt und 10 Tage später wieder nach dem Befund gefragt.

Zwei Monate nach der letzten letzten Einnahme und Beurteilung wurde ein Abschlussinterview ebenfalls telefonisch geführt, wobei der Zustand der Kinder ebenfalls auf der 5-Punkte Skala bewertet wurde.

Ergebnisse:

Vielleicht vorab: Googeln im Internet fördert einen Psychologen namens John Lamont, PhD, in Chatsworth zu Tage, einem District von Los Angeles USA. Somit wissen wir, wo sich die ganze Sache abspielt. Wir können auch aus den Angaben schließen, dass sich die Patienten offenbar aus dem unteren Ende der US-amerikanischen Gesellschaft rekrutieren.

Tja, zu den Ergebnissen. So furchtbar viel erfahren wir da nicht. Lamont zeigt nicht einmal auf, wie sich die Gruppen zusammensetzen oder die Eingangsbefunde, die er getätigt hat. Die Kinder durchliefen ‚eine ganze Batterie von Tests‘ aber was da herauskam, ist nicht überliefert.

Als mehr oder weniger einziges Ergebnis wird präsentiert, dass bei den Kindern der Homöopathiegruppe die Veränderungen im Durchschnitt besser eingestuft wurden als bei den Kindern der Placebogruppe, 1,0 zu 0,35 bei der ersten Abfrage. Das Ergebnis der Homöopathiegruppe verbesserte sich, nachdem die nicht reagierenden Kinder ein anderes Medikament erhalten hatten, auf 1,13, nach dem dritten Medikament auf 1,6. Kinder aus der Placebogruppe erreichten ähnlich gute Werte, nachdem sie auch ihr Homöopathikum eingenommen hatten. Bei 18 Kindern zeigte das homöopathische Mittel keine Wirkung und es wurde ein neues Medikament verabreicht. Auch dies blieb bei sieben Kindern wirkungslos, die ein drittes Mittel erhielten.

Das Nachfolgegespräch, zwei Monate nach der letzten Einnahme, zeigte bei 57% der Kinder, die eine Verbesserung erzielt hatten, dass sich die Verbesserung fortgesetzt hatte, ohne dass weitere Homöopathika gegeben wurden, bei 24 Prozent ging die Verbesserung innerhalb von ein paar Wochen nach der Einnahme allmählich zurück und 19% gaben an, dass die Verbesserungen nur so lange anhielten, wie die Medikamente eingenommen wurden. Wie letztere allerdings gemessen worden sein sollen ist unklar: die Medikamente wurden nur fünf Tage lang eingenommen und die Bewertung erfolgte nach zehn Tagen, also nachdem die Wirkung wieder abgeklungen war?

Lassen wir die weiteren Details weg, die sich damit befassen, welches Mittel unter welchen Bedingungen verschrieben wurde. Die Frage ist, wie zuverlässig sind die Zahlen?

Wenn Sie Debatten zwischen Befürwortern und Gegnern der Homöopathie verfolgen, und diese auf Studien zur Wirksamkeit zu sprechen kommen, hören Sie über kurz oder lang die Aussage, diese oder jene Studie sei von minderer oder höherer Qualität. Ergebnisse von Studien minderer Qualität werden dann üblicherweise ignoriert. Was bleibt, ist der Streit, wodurch zeichnet sich denn nun eine hohe Qualität aus? Nehmen wir also einmal diese Studie als Beispiel und versuchen uns in einer Bewertung. Wir verwenden dazu die Kriterien, die auch in den Studien von Kleijnen (1991), Linde (1997) und meine eigenen Ergänzungsvorschläge, die man alle in der ‚Beweisaufnahme‚ wiederfindet.

Ist die Anzahl der Teilnehmer ausreichend?
Räumen wir diesen Punkt gleich auf. Die Anzahl der Teilnehmer ist eigentlich immer zu niedrig. Wenn man ein sauber quantifiziertes Ergebnis erreichen will, kann man die Mindestgröße der Gruppen errechnen. Gemeint sind Aussagen wie z.B. Die Einnahme des Mittels X ist für y% der Patienten von Vorteil. Das haben wir hier aber nicht. Hier können wir uns allenfalls überlegen, ob wir aus den Ergebnissen von 40 Kindern wirklich mit einiger Sicherheit auf Hunderttausende hochrechnen können. Aber dies ist hier nicht nur ein statistisches Problem, sondern betrifft auch die Frage, wie repräsentativ denn die Auswahl der Patienten war. Doch davon später.

Sind die Gegebenheiten der Patienten angemessen beschrieben?
Eigentlich nicht. Wir haben zwar die Aussage, dass die Kinder die Kriterien der DSM IV Skala erfüllen oder übertreffen, aber das ist auch schon alles. Lamont hat zwar ‚eine Batterie von Tests‘ durchgeführt, aber deren Ergebnisse kennen wir nicht. Es wird erwähnt, dass es Kinder gibt, die in Pflegeheimen aufwachsen und solche die bei ihren Eltern aufwachsen, aber wie viele das sind, wird nicht gesagt. Ebenfalls wird die Zahl der Kinder, die traumatisiert sind, die Gewalt und sexuellen Missbrauch erlebt haben, nicht genannt. Dies könnte aber für das Ergebnis bedeutsam sein, insbesondere wenn sich diese Gegebenheiten nicht gleichmäßig auf die Gruppen aufteilen. Ich bin nicht Experte genug, um letztendlich die Richtigkeit der Diagnose beurteilen zu können, dass diese Kinder auch unter ADHS litten. Es gibt auch Dinge wie posttraumatische Belastungsstörungen, Vernachlässigung, Frustrationen und so weiter, was sich auch in einem problematischen Verhalten äußern kann. Ist dann ADHS die richtige Diagnose und in der Folge eine darauf abzielende medikamentöse Therapie richtig? Geht das an die Ursache der Probleme, die die Kinder haben?

Lamont macht praktisch keine quantitativen Angaben über die Befunde oder auch die sozialen Gegebenheiten seiner Patienten. Einem Fachmann sind damit die Grundlagen zur Bewertung des Ergebnisses entzogen. Wollte beispielsweise jemand diese Studie wiederholen und käme zu vielleicht abweichenden Zahlen, hat er keine Möglichkeiten die Ergebnisse irgendwie einzuordnen. Auch uns wird das einholen, wenn wir das Ergebnis an der Gruppenzusammensetzung spiegeln wollten.

Ist die Randomisierung angemessen?
Durch die Randomisierung, durch die zufällige Zuteilung der einzelnen Kinder auf Placebo- oder Verumgruppe soll sichergestellt werden, dass sich zufällige Eigenschaften, die das Ergebnis beeinflussen könnten, gleichmäßig auf die Gruppen verteilen. Denken Sie beispielsweise an das Alter der Kinder. Wenn in der einen Gruppe mehr ältere Kinder wären, in der anderen dafür mehr jüngere, hätte das Einfluss auf das Ergebnis.

Eine Grundforderung bei der Randomisierung ist, dass der Studienleiter keinen Einfluss auf die Zusammensetzung der Gruppe hat, dass er nicht, auch nicht unbewusst, die Zusammensetzung der Gruppen beeinflusst. Wie das am Besten zu erreichen ist, darüber kann man ausgiebig philosophieren, Tatsache für diese Untersuchung ist aber, dass genau dies nicht gegeben ist. Die Randomisierung hat Lamont selbst nach einem Schema vorgenommen. Da er selbst einen Interessenkonflikt hat – er ist ein homöopathisch arbeitender Mediziner, ein negatives Ergebnis wäre für ihn ein wirtschaftliches Desaster – ist das von ihm verwendete Verfahren nicht über jeden Zweifel erhaben. Beispiel: Ist sichergestellt, dass er am Morgen mit der Zuteilung zu einer anderen Gruppe begann als er am Abend aufgehört hat? Wenn ja, wie kommt es dann, dass eine Gruppe 23 Mitglieder hat und die andere nur 20?

Ist die Beschreibung der Therapie klar? Ist die Therapie angemessen?
Mit etwas Mühe bringt man schon zusammen, was Lamont als Therapie durchgeführt hat, auch wenn es ein wenig chaotisch anmutet. Ob aber eine medikamentöse Therapie bei der sicherlich für viele der Kinder problematischen häuslichen Situation angemessen ist, sei einmal dahingestellt. Wenn man eine ungeeignete Therapie untersucht, eine, die nur wenig oder keinen Einfluss auf den Krankheitsverlauf hat, dann misst man ein Zufallsergebnis. Das könnte hier durchaus der Fall sein, denn wodurch genau ADHS begründet ist und ob alle anderen denkbaren Ursachen bis hin zu organischen Ursachen ausgeschlossen wurden, wird in der Studie nicht berichtet. Die Schlussfolgerungen aus einer ungeeigneten Therapie sind dann falsch – und man merkt das noch nicht einmal.

Ist eine doppelte Verblindung erfolgt?
Eine doppelte Verblindung soll bewirken, dass der Patient, der das Medikament einnimmt, nicht weiß, ob er Placebo oder Verum einnimmt – und dass er auch keine Möglichkeit hat, das zu erfahren, weil der behandelnde Arzt selbst das nicht weiß. Wüsste er über die Natur seines Medikaments wäre das Ergebnis durch einen Placebo Effekt oder dessen Gegenteil verfälscht. Mit der doppelten Verblindung soll aber auch sichergestellt werden, dass der Studienleiter keine Patientengruppe bevorteilt, was auch ohne sein bewusstes Zutun erfolgen würde: In jedem Führungsseminar wird gelehrt, dass 80% der menschlichen Kommunikation ohne Worte erfolgt – und dass man auf diese 80% nur sehr wenig willentlichen Einfluss nehmen kann.

Hier ist das nicht der Fall, der Untersuchungsleiter, Lamont selber, weiß über die Gruppenzugehörigkeit Bescheid – und nutzt das auch, indem er Kindern aus der Homöopathiegruppe dann, wenn keine Besserung eintritt, ein weiteres Mittel verabreicht. Ist wirklich sichergestellt, dass er seine Wunschkandidaten nicht durch entsprechendes – auch unbewusstes – Frageverhalten in die positive Richtung drängt, die anderen in die negative? Man kann das prima erreichen, indem man Aussagen, die nicht ins Bild passen hinterfragt (‚Wie kommen Sie darauf? Sind Sie sicher? Haben Sie auch alles bedacht?‘). Das Gegenüber kommt dann recht schnell darauf, bei welcher Antwort der Frager endlich Ruhe gibt. Es ist eine Tatsache, die jeder kennt, der irgendwie forscht: Ergebnisse, die mit der eigenen Theorie nicht übereinstimmen, werden sehr ausgiebig überprüft – die anderen nicht. Das Schlimme an der Sache ist: man merkt es selber nicht, wie man Einfluss nimmt.

Auch in diesem Punkt kann Lamonts Studie nicht befriedigen. Das Lamont seine Studie als doppelt verblindet bezeichnet, weil nicht nur die Kinder im Unklaren über die Gruppenzugehörigkeit waren sondern die Eltern auch, wirkt eher erheiternd.

Ist eine sinnvolle Messgröße ausgewählt und das Verfahren gut beschrieben?
Da habe ich doch aber sehr starke Zweifel. Natürlich, ADHS ist sehr schwierig zu messen. Aber eine einmalig Beurteilung, ob besser oder schlechter, 10 Tage nach der Einnahme des Medikaments ist zu wenig. Bedenken wir, die Kinder stammen offenbar aus einer sehr tiefen soziologischen Schicht einer Großstadt in den USA. Sofern sie bei den Familien wohnen, dann sind das Menschen, mit denen das Leben Achterbahn fährt. Den Familien sind Sozialarbeiter zugeordnet, wie Lamont schreibt, sicher nicht zum Karten spielen. Arbeitslosigkeit, Geldmangel, Streit, Gewalt, Alkohol, Kriminalität, Verzweiflung, das alles setzt die Menschen unter Druck, der verhindert, dass das Leben in einigermaßen gleichförmigen Bahnen läuft. Die Beurteilung nach zehn Tagen dürfte in hohem Ausmaß das Erleben des jeweils letzten Tages umfassen, das auch von den Reaktionen des Kindes auf die jeden Tag aufs neue veränderte Umwelt geprägt wird. Auch das momentane Befinden und Erleben desjenigen, der die Bewertung abgibt, dürfte sich in erheblichem Umfang darin wiederfinden.

Auf der anderen Seite, die Kinder die im Heim aufwachsen: Lamont beschreibt die Pflegemütter selbst als desinteressiert und unmotiviert. Kriegen die denn von den Änderungen überhaupt was mit? Nervt das Ganze eigentlich nicht nur? Es wäre vor diesem Hintergrund eine wertvolle Information, wer aus welchem Grund die Untersuchung durch einen Psychologen veranlasst hatte, aber diese Daten haben wir nicht.

Über irgendwelche Maßnahmen, die Ergebnisse der Befragungen irgendwie zu erhärten, eventuell Ursachen außerhalb der Medikamentengabe auszuschließen, vielleicht professionelle Beobachter hinzuzuziehen, berichtet Lamont nicht. Es bleibt alleine die Einschätzung der Bezugsperson, aus einem Nebensatz ist zu schließen, bisweilen auch der Lehrer, als alleiniges Ergebnis.

Ist das Ergebnis nachvollziehbar dargestellt?
Nein, überhaupt nicht. Wir hatten oben schon besprochen, dass die Zusammensetzung der Gruppen nicht dargestellt wurde, wahrscheinlich noch nicht einmal überprüft wurde. Faktoren, die das Ergebnis beeinflussen könnten haben wir bereits genug aufgezählt.

Die Zahlen sind als Durchschnittswerte für die jeweils ganze Gruppe angegeben, die Schwankungsbreite folgt indirekt aus dem Ergebnis des als T-Test ausgeführten Signifikanztests. Dieser Punkt ist zwar nicht zu beanstanden, aber es fehlen Angaben zu den grundlegenden Daten für den Signifikanztest, zumindest die Streubreiten wären von Wichtigkeit.

Ist das Messverfahren geeignet, die Ergebnisse zu erzielen?
Ein wenig ist oben schon angeklungen: Wegen des starken subjektiven Gehalts, wegen des Charakters als einmalige Momentaufnahme kurz nach Einnahme des Medikaments ist das Messverfahren wenig geeignet, einen langfristigen Therapieerfolg zu dokumentieren. Dass nach zwei Monaten nochmals die gleiche Bewertung durchgeführt wird, mit den gleichen Schwächen wie oben beschrieben, ändert nichts Prinzipielles daran.

Ist die Schlussfolgerung gerechtfertigt?
Lamont ist recht vorsichtig in seiner Schlussfolgerung, die, wenn die Ergebnisse richtig wären, durchaus gerechtfertigt wäre. Er sagt seine Ergebnisse unterstützten die Auffassung, dass die Homöopathie Placebo überlegen sein könnte. Er schreibt auch, dass aus einer Studie alleine keine allgemeinen Rückschlüsse gezogen werden können, dem zuzustimmen ist und das zu dem nächsten Problem führt. Wenn seine Ergebnisse belastbar wären, könnte man dieser Schlussfolgerung durchaus zustimmen.

Wurde diese Untersuchung unabhängig wiederholt?
Ein wissenschaftlicher Sachverhalt muss sich unabhängig wiederholen lassen und, wenn man den gleichen Versuch ausführt, etwa die gleichen Ergebnisse liefern. Erst wenn eine Reproduzierbarkeit nachgewiesen ist, dann ist sichergestellt, dass die Statistik – in der man immer nur mit Wahrscheinlichkeiten, nie mit absoluten Gewissheiten handelt, einem keinen Streich gespielt hat. Lamonts Arbeit stammt von 1997 ist also heute 16 Jahre alt und hat noch keine experimentelle Bestätigung gefunden. Genau genommen sind die bekannten arbeiten von Frei (wobei dieser das anders sieht) und Jung zu anderen Ergebnissen gekommen, was auf eine mangelnde Reproduzierbarkeit hindeutet.

Fassen wir zusammen:

Von den Grundanforderungen, die an eine hochwertige Studie zu stellen sind, ist diese Arbeit sehr weit weg. Das Ergebnis könnte somit in ganz erheblichem Maße durch andere Dinge beeinflusst worden sein als durch die Einnahme des homöopathischen Medikaments, wir hatten dies im Einzelfall diskutiert. Insbesondere die mangelnde Verblindung und die nur geringe Eignung des Messverfahrens dürften einen deutlichen Einfluss gehabt haben, auch wenn dieser naturgemäß nicht zu beziffern ist. Damit erscheint die Schlussfolgerung, die Untersuchung zeige eine Wirksamkeit der homöopathischen Medikamente auf, was beinhaltet, dass dies zweifelsfrei der Fall sei, nicht gerechtfertigt.

[1] Lamont J,: Homeopathic Treatment of Attention Deficit Hyperactivity Disorder: A controlled Study‘, in: British Homeopathic Journal 86, April 1997 : pp196-200 Link (Abstract) (07.12.2015: Link editiert, Volltext nicht mehr verfügbar)

[2] Wikipedia, Stichwort ‚Aufmerksamkeitsdefizit/Hyperaktivitätsstörung‘, Link

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8 Antworten zu Homöopathie und ADHS – Studie von Lamont (1997)

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  3. Norbert Aust sagt:

    Hallo Herr Königsbacher,
    Die Studie von Frei zu ADHS war der erste Beitrag, den ich hier im Blog veröffentlicht habe.
    Hier der Link: http://www.beweisaufnahme-homoeopathie.de/?page_id=110

  4. Volker Königsbüscher sagt:

    Guten Tag Herr Aust,

    ich stieß einmal auf diese Studie aus Bern: Heiner Frei, Regula Everts, Klaus von Ammon und André Thurneysen: Homöopathische Behandlung von hyperaktiven Kindern: Ergebnisse einer randomisierten, placebo-kontrollierten Doppelblindstudie mit Crossover, Originalstudie Frei H, etc: Homeopathic treatment of children with attention deficit hyperactivity disorder: a randomised, double blind, placebo controlled crossover trial. Eur J Pediatrics 2005;164:758–767, siehe auch hier (Edit 18.02.2017: Link erloschen), Suche auf Google Scholar bringt viele weitere Bezüge.

    Sie untersucht eine ähnliche Patientengruppe, bezieht sich auf Lamont, und könnte vielleicht als Überprüfung gelten. Sie scheint qualitativ besser durchgeführt sein und findet ein signifikantes Ergebnis zugunsten der Homöpathie. Wie beurteilen Sie diese?

    Viele Grüße
    Volker Königsbüscher

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  7. Norbert Aust sagt:

    Hallo Frau Parsch,
    freut mich sehr, Sie hier begrüßen zu dürfen. Ich freue mich schon auf die Zusammenarbeit mit Ihnen. (Baumgartners Wasserlinsen sind auch eines der nächsten Projekte. Versprochen.)

    Zur Frage 23 / 20:
    Es ist ein Merkmal dieser Studie, dass die Angaben, die man irgendwo findet, nicht so ganz eindeutig sind und demzufolge einen gewissen Raum zur Interpretation geben. Da Lamont schreibt, dass die ausgeschlossenen Kinder aus der Verum-Grupe stammten und die Änderung der Ritalin-Gabe nach Einnahme der Homöopathika erfolgte, ist sicher, dass die drei Kinder die Randomisierung mitgemacht haben müssen. Und wenn zur Randomisierung 43 Kinder in der Studie eingeschlossen waren – auch dies wird nicht deutlich gesagt sondern habe ich mir aus den Angaben zusammenreimen müssen, dann deutet die Verteilung 23/20 zwischen den Gruppen auf gewisse Unstimmigkeiten hin.

    Aber auch Ihre Sichtweise kann stimmen, wer kann bei dieser Studienqualität überhaupt was konkretes sagen. Schlussendlich aber bleibt, dass die Randomisierung nicht sonderlich professionell ausgeführt wurde. Bei diesem Vorgehen ist durchaus nicht sichergestellt, dass sich für das Ergebnis relevante Eigenschaften gleichmäßig zwischen den Gruppen aufgeteilt haben. Der Autor hat das auch nicht überprüft – er hat nicht darüber berichtet, also gehen wir davon aus, er hat es nicht gemacht.

    Dass das Vorgehen nicht geeignet war, dem Studienleiter ein Erraten der Gruppenzugehörigkeit zu erschweren, macht hier gar nichts – der Studienleiter wollte ja sogar wissen, wer zu welcher Gruppe gehört.

    Ob er diese drei Kinder ausgeschlossen hat um damit etwas Ergebnis-Kosmetik zu betreiben, können wir nicht feststellen. Daher denke ich, wir sollten diesen Ast nicht weiter verfolgen.

    Beobachtungszeitpunkt / Änderung der Medikamentierung:
    Das war mir beim Lesen auch schon aufgefallen. Andere Autoren berichten davon, dass es mehrere Monate dauert, bis sich eine Veränderung ergibt, und Lamont will da schon nach 10 Tagen eine zuverlässige Aussage treffen. Ich bin nicht genügend Fachmann über das Krankheitsbild ADHS, aber mir drängt sich irgendwie die Vermutung auf, dass die angebliche schnelle Wirkung seines Eingriffs eher beweist, dass es sich nicht um ADHS handelte, was da reagierte – wenn die Aussagen der Bezugspersonen da überhaupt zuverlässig waren.

    Zur Änderung der Medikation gibt Lamont nur an, dass er zu einem neuen Mittel gewechselt sei, wenn keine Wirkung zu verzeichnen gewesen sei. ‚When ratings of subjects receiving homeopathics indicated little or no improvement, a new medicine was given‘. Inwieweit dies Verschlechterungen umfasst hat, ist sicher Interpretationssache. Auf jeden Fall erscheint mir das Vorgehen sehr merkwürdig.

    Viele Grüße
    N.A.

  8. Ute Parsch sagt:

    Hallo Herr Aust,

    Sie werfen ja oben die Frage auf, „“wie kommt es dann, dass eine Gruppe 23 Mitglieder hat und die andere nur 20?““

    Ich habe mir die Lamont-Studie diese Woche auch angesehen und Lamont hier so verstanden, dass die 3 fehlenden Kinder diejenigen waren, die aus der Studie herausgenommen worden sind, weil innerhalb des Studienzeitraumes ihre (nicht homöopathische) Medikation geändert wurde. („“Three children (all in the verum condition) were excluded from the study because of changes of dosage in their anti-ADHD medication““). Man kann natürlich nicht ganz sicher sein – wie Sie sagen, sind die Informationen, die Lamont gibt, sehr knapp – aber die Zahlen würden so passen.

    Was mich dabei erstaunt hat, war, dass die Kinder innerhalb des nun wirklich für ADHS extrem kurzen Beobachtungszeitraums von 10 Tagen überhaupt eine neue Medikation bekommen mussten. Warum ändert man überhaupt die Medikation? Doch nur, wenn sich das Verhalten deutlich verbessert oder verschlechtert oder wenn Nebenwirkungen auftreten. Da die Kinder bereits mit Medikation in die Studie kamen, wären eventuelle Unverträglichkeiten bestimmt schon vorher bekannt gewesen. („“No children were accepted if on anti-ADHD medications for less than 6 weeks. „“)

    Ich persönlich halte es daher für wahrscheinlich, dass sich das Verhalten geändert hat. Hätte sich das Verhalten aber deutlich gebessert, hätte man dann mit der Reduktion der Dosierung nicht noch 10 Tage warten können, im Interesse der Studie? Hätte Lamont nicht zumindest erwähnt, dass es sich um eine Besserung gehandelt hat? Hätte sich das Verhalten dagegen deutlich verschlechtert, wäre das sicher ein Grund gewesen, die Dosierung des verordneten Medikamentes kurzfristig zu erhöhen.

    Mir stellte sich daher beim Lesen der Studie die Frage, ob Lamont diese 3 Kinder nicht auch deshalb aus der Studie entfernte, weil sie sein Ergebnis negativ beeinflussten – sie waren alle 3 in der Gruppe, die Homöopathika bekamen. Er könnte sie als verfälschende Ausreißer bewertet haben, als er von der Änderung der Dosierung hörte. Sicher kann man sich nicht sein, weil Lamont keinerlei Werte angibt, aber ausschließen kann man es aufgrund der spärlichen Angaben auch nicht.

    Viele Grüße

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