Susannchen, Globuli und die ÖGHM

Das Informationsnetzwerk Homöopathie hatte eine Kampagne ‚Susannchen mag keine Globuli‘ gestartet, um Eltern kleiner Kinder darauf aufmerksam zu machen, dass Homöopathie keine gute Strategie ist, die Gesundheit von Kindern zu fördern und zu erhalten.

Darüber wurde auch in Österreich berichtet, was die Österreichische Gesellschaft für Homöopathische Medizin (ÖGHM) dazu veranlasste, eine Pressemeldung zu veröffentlichen.

Susannchen ist ein kleines Mädchen, das mit einprägsamen Sprüchen aus Kindersicht auf die Problematik der Homöopathie aufmerksam machen soll. Über diese Aktion des Informationsnetzwerks Homöopathie (INH) hat der Standard.at berichtet (Link), was auch von anderen Internetpublikationen aufgenommen wurde (Link).

Susannchen_KrankDer ÖGHM hat daraufhin eine Pressemitteilung veröffentlicht, die ganz offensichtlich zu dieser Aktion Stellung nimmt, jedoch ohne sie tatsächlich zu nennen (Link). Diese Information enthält auch einige Aussagen des Vorsitzenden der ÖGHM, Herrn Dr. Erfried Pichler aus Klagenfurt. Dies hat mich veranlasst, ihm den folgenden Brief per Email zu schreiben:

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Sehr geehrter Herr Dr. Pichler,

wir vom Informationsnetzwerk Homöopathie, den Urhebern der ‚Susannchen mag keine Globuli‘-Aktion, freuen uns sehr darüber, dass Sie wie wir der Meinung sind, die Selbstmedikation mit Homöopathika sei keine sinnvolle Vorgehensweise, die Gesundheit von Kindern zu fördern – auch wenn unsere Motive wahrscheinlich unterschiedlicher Art sind. Ich befürchte aber, dass viele der Menschen, über deren positive Haltung zur Homöopathie Sie sich freuen, genau das tun. Dass sie sie trotzdem für wirksam halten, widerspricht doch etwas Ihrer Argumentation, dass es ratsam sei, dass ein Homöopath das richtige Mittel auswählt, oder?

Weitgehend uneinig sind wir uns allerdings, was die Studien zur Homöopathie angeht. Zunächst einmal wird kein Skeptiker je behaupten, dass es keine placebokontrollierten randomisierte Doppelblindstudien zur Homöopathie gäbe, wie Sie uns unterstellen. Natürlich gibt es die! Es gibt sogar mehr als die fünfzig, die Sie nennen, nämlich 104, wie der Webseite der englischen Faculty of Homeopathy zu entnehmen ist. Allerdings ist es noch in keiner qualitativ hochwertigen Studie gelungen, eine Wirksamkeit von homöopathischen Präparaten aufzuzeigen, die einem Placebo eindeutig überlegen wäre, wie die systematische Übersichtsarbeit von Mathie et al. aus dem Jahr 2014 eindrucksvoll zeigt.

Ihre Aussage, in der Shang-Studie seien nur negative Studien berücksichtigt worden, trifft ebenfalls nicht zu. Irgendwie sollten Sie diese Arbeit nochmals lesen, denn auch Ihre Aussage, es sei die Vorgehensweise nicht dargestellt worden, stimmt nicht. Es fehlten einige, zugegebenermaßen auch wichtige, Daten, aber die Vorgehensweise war beschrieben. Lüdtke und Rutten haben in 2008 (nicht 2009) keine neuen Metaanalysen ausgeführt, sondern nur einzelne Untergruppen der Shang-Studie ausgewertet und Sensitivitätsanalysen durchgeführt. Sie haben auch nicht herausgefunden, dass die homöopathischen Mittel besser gewirkt hätten als Placebo, sondern dass das Ergebnis der Shang-Studie sehr stark von den eingeschlossenen Studien abhängt.

Wie Sie sehen, Herr Dr. Pichler, scheinen Ihre Kenntnisse der Studienlage zu Ihrem Fachgebiet nicht besonders tragfähig zu sein. Ich würde Sie daher gerne zu einer Veranstaltung an der MedUni in Wien einladen. Dort werden Herr Professor Frass und ich über die Evidenz zu Homöopathie diskutieren, wobei auch einige der hier angesprochenen Punkte zur Sprachen kommen werden:

Termin: Donnerstag, 21. April 2016, 18:00-20:00 Hörsaal 5, Ebene 8, Hörsaalzentrum des AKH Wien

Wenn Sie nicht nach Wien kommen können, bin ich auch gerne bereit, an einem anderen Ort eine ähnliche Diskussionsveranstaltung mit Ihnen durchzuführen. Wir könnten dann auch beispielsweise darüber diskutieren, wie wir Skeptiker einen Versuch ausführen müssten, um die Nicht-Wirksamkeit homöopathischer Präparate vorzuführen. Eine Woche lang jeden Tag ein Fläschchen Globuli (oder nur ein Globulum?) in einer C30-Potenz einnehmen? Meinetwegen in mehreren Gaben über den Tag verteilt? Wenn dann nichts passiert, keine Prüfsymptome auftreten, würde Sie das überzeugen?

Es würde mich freuen, von Ihnen zu hören.

Mit freundlichen Grüßen

Dr.-Ing. Norbert Aust
Informationsnetzwerk Homöopathie

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12 Antworten zu Susannchen, Globuli und die ÖGHM

  1. borstel sagt:

    NB: Lac muris – nein, bislang habe ich noch keinen Anbieter gefunden (obwohl das angesichts isolierter Nordpole, Hundekot und dem fiktiven Keim Oscillococcus gar nicht so weit hergeholt wäre), aber dafür einen ergetzlichen Eintrag bei Googlebooks aus einem amerikanischen Medizinlexikon von 1842: https://books.google.de/books?id=-aBdAAAAcAAJ&pg=PA644&lpg=PA644&dq=lac+muris&source=bl&ots=BV2fN3LdIc&sig=kgfBiUUWRiRoUOf4AuHH7b3c3q8&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwiE-veN8ZrOAhXFMhoKHU4tC44Q6AEIJjAB#v=onepage&q=lac%20muris&f=false.
    Und dieser Scherz wird dann leider auch ernst: http://www.apotheke-homoeopathie-kraeutertee.com/de/pages/homoeopathische-arznei-homoeopathie-sperma-hominis-7223-10-0.aspx?q=

    Dazu ein letzter Link: http://diglib.hab.de/wdb.php?dir=drucke/xb-3174&pointer=4 – die Homöopathen können sich auf eine laaange Tradition berufen.

  2. Norbert Aust sagt:

    Okay, das Küchenlatein! Irgendwie hielt ich das für ein Diminuitiv – ein Blick ins Wörterbuch hat mich aber überzeugt. Ein Punkt für Dich.

  3. Christian Becker sagt:

    Kleine Anmerkung, viel zu spät aber vielleicht für die Zukunft:
    Der Singular von Globuli ist Globulus. Wäre es Globulum würden die Dinger Globula und nicht Globuli heißen.
    /klugscheiß

  4. Christian Becker sagt:

    Hah… ja, das kenne ich.
    „Wenn Sie C30 abgeben müssen Sie unbedingt was zur Dosierung sagen. Die kann man leicht überdosieren…“
    Es ist echt zum Mäusemelken (Lac muris C30 – Zur Beruhigung in Situationen, die zum Aus-der-Haut-Fahren geeignet sind. :D)

  5. borstel sagt:

    Nicht frei erfundene Anekdote, die mir heute zugetragen wurde – „Die Mutter, die Hebamme, die Apothekerin und die Homöopathie. Absurdes Theater in einem Akt.“

    Kommt eine junge Mutter in die Apotheke, in der ich ebenfalls meine Arznei hole. Von ihrer Hebamme hat sie (neben einem Allopathikum) eine Empfehlung für ganz bestimmte Glaubuli für den unschuldigen Säugling erhalten und fragt die Apothekerin danach. NB: Es geht dem Vernehmen nach um Blähungen, die das Kind peinigen.
    Darauf die Apothekerin zur Mutter: „Die Potenzierung des Homöopathikums ist für das Kleine meiner Meinung nach VIEL ZU HOCH! Sprechen Sie noch einmal mit Ihrer Hebamme, ob sie WIRKLICH der Meinung ist, das Homöopathikum in einer solch hohen Potenz einem Säugling geben zu wollen.“

    …Wir haben noch einen langen Weg vor uns…

  6. M. Hahn sagt:

    Noch ein Beispiel für die Beliebigkeitskultur:
    http://www.werbewoche.ch/slk-aepfel-mit-birnen-vergleichen
    ZITAT
    Können «Elektrosmog-Chips» schädliche Handystrahlung tatsächlich in positive Bioresonanz-Strahlung umwandeln[…] ? Der Beschwerdeführer war der Ansicht, das sei «Schwachsinn». Die verwendeten Begriffe seien wissenschaftlich nicht bewiesen. Zudem war er der Meinung, dass nur Wirkungsweisen beworben werden dürfen, die über einen wissen­schaftlichen Nachweis verfügen. Das ist nach Meinung der SLK (Schweizerische Lauterkeitskommission, M.H.) nicht der Fall, da es sonst auch nicht mehr statthaft wäre, homöopathische Mittel zu bewerben.
    ZITAT
    Interessante Folgerung.

  7. excanwahn sagt:

    @Natalie & Joseph / Thema: „Kognitive Dissonanz“

    Ich hatte in der letzten Woche die unerwartete Gelegenheit, ein längeres Gespräch mit einer homöopathischen Ärztin zu führen. Den Namen möchte ich allerdings nicht nennen, da ich eine Veröffentlichung der Unterhaltung der Dame gegenüber nicht angekündigt hatte. Nur soviel sei erwähnt, dass die Frau Doktor zu einem wesentlichen Streitthema zwischen Homöopathie und Wissenschaft publiziert hat, und selbst schon von den frühen Anfängen ihrer ärztlichen Tätigkeit an, ihre ideologische Heimat in einer der großen Lobbyisten-Organisationen der Homöopathen gefunden hatte.

    Ich habe meine Gesprächspartnerin mit fast allem konfrontiert, was wir Kritiker an Argumenten so aufbringen können, habe kaum Widerspruch erlebt, dafür großes Verständnis für unsere Positionen, besonders wenn es um die völlig abgedrehten Spielarten der Homöopathie ging. Worüber sie selbst erstaunt schien, waren die umfangreichen und sehr detaillierten Kenntnisse der Skeptiker, die oftmals wohl viel tiefer in der homöopathischen Materie stecken würden, als viele der Homöopathen.

    Ihre einzige Rechtfertigung für den Einsatz der Homöopathie in der klinischen Praxis war dann auch die unbestreitbare Tatsache, dass es Menschen gibt, denen die Homöopathie offenbar helfe – auch wenn es, so wie es sich jetzt darstellen würde, wohl doch nur Befindlichkeitsverbesserungen seien.
    Sie selber hätte, trotz aller Fakten, die gegen die Erwartung sprächen, immer noch die Hoffnung, dass eines Tages ein Beleg für die Existenz einer „Kraft“ wie die Lebensenergie (oder Prana, Chi, etc.) gefunden werden würde; aber es sei eben nur Hoffnung.

    Auf die lausige Studienlage der Homöopathie angesprochen, vertrat sie dann die Auffassung, dass der klinische Alltag oft genug zeigen würde, dass selbst die durch gute Studienergebnisse veranlassten therapeutischen Erwartungen bei wissenschaftsmedizinischen Verfahren, sich oft genug nicht erfüllen würden, was für sie letztlich Anlass genug wäre, auch „alternative“ Verfahren anzuwenden, bei denen eben keine oder nur unzureichende Studien vorlägen, jedoch die Reaktion der Patienten, sprich die Einzelfall-Erfahrungen, Rechtfertigung genug sei.

    Insgesamt hatte ich den Eindruck, dass die kognitiven Dissonanzen, die wir oftmals bei Homöopathen (und andern Anhänger dogmatischer Lehren) vermuten, nur in sehr geringen Maße vorhanden waren.

    Viel stärker ausgeprägt fand ich so etwas wie einen pragmatisch orientierten Genre-Synkretismus: Nicht so sehr abgestellt auf das grottendumme Mantra „Wer heilt, hat recht!“, sondern vielmehr auf eine Denkposition, wie sie Goethe in Torquato Tasso formuliert: „Was gefällt, ist auch erlaubt!“

    Nach etwa einer Stunde Gedankenaustausch sind wir dann unserer Wege gegangen.

    Was Frau Doktor aus dem Gespräch mitnahm, kann ich nicht einschätzen, mich jedenfalls hat es ratlos gemacht:

    Was kann man dem vergnügten Ekkletizimus, der schon allein dadurch Widersprüche verhindert, weil alles möglich erscheint und keine allseits akzeptierten Referenzen mehr existieren, eigentlich noch entgegensetzen – außer gesetzlichen Regelungen?

    Und wer ist dafür verantwortlich, dass (nicht nur homöopathische) Ärzte offenbar kein Problem damit haben, ihre Patienten als Teilnehmer an einem nie endenden Medizinversuch anzusehen?

    Wo ist die Ursache dafür zu suchen, dass eine wohl nicht ganz geringe Zahl von Ärzten offensichtlich jedes Vertrauen in die wissenschaftliche Methodik verloren haben – oder möglicherweise nie gelernt haben, ihre therapeutische Arbeit daran zu orientieren? Was eröffnen sich hier für Abgründe!

    Welche grotesken Blüten diese Beliebigkeitskultur hervorbringt, zeigt ein Zitat von Michael Teut, einer der nach dem Wechsel von Claudia Witt zur Uni Zürich an der Charité verbliebenen Sachwalter der Homöopathie: „Das Problem in der anhaltenden Debatte um den wissenschaftlichen Wirksamkeitsnachweis der Homöopathie liegt darin, das Gegener und Befürworter der Homöopathie das Datenmaterial unterschiedlich beurteilen.“ (VETimpulse 7/2016).

    Fertig ist die Laube! Alles ist eben nur eine Frage der Perspektive. Objektive Entscheidungskriterien, wer braucht die? Auch bei Herrn Teut scheint es deshalb müßig, über kognitive Dissonanzen nachzudenken.

    Sich den Sinn für das Richtige nicht nehmen zu lassen, ist offenbar aus der Mode gekommen. Und manchmal scheint es, als gäbe überhaupt nichts wirklich Falsches mehr im Zeitalter des Relativismus – was, man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, kaum jemanden stört.

    Insoweit erscheint es mir fast überflüssig, sich mit kognitiven Dissonanzen zu beschäftigen. Vielmehr sollten wir uns bemühen, die vor allen von den Vertretern der „Integrativen Medizin“ angepriesene Methodenvielfalt als das zu identifizieren, was wirklich ist: Orientierungslosigkeit.

  8. Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich nur noch einmal sagen: man weiß das als Homöopath nicht und behauptet was anderes (zB in Bezug auf Placebo-Effekte), man weiß es wirklich nicht, auch nicht in den großen Vereinen/Lobbys. Das ist doch gerade das Phänomen der kognitiven Dissonanz – das Unbeliebte wird komplett ausgeblendet, ja, verdrängt. Ein direkter Vorwurf a la „Wie könnt ihr nur!“ führt deshalb nicht weiter. Was allerdings weiter führt, weiß ich auch nicht. Es muss einem wohl selber auffallen. Und dazu müssen gute, sachliche, freundliche Infos her. Und da arbeiten wir ja dran;-)

    Den Brief finde ich trotzdem super gut geschrieben!

  9. borstel sagt:

    Um mal ein wenig Werbung zu machen: https://www.zentiva.de/Produkte/P-Tabletten. Das ist kein Scherz und mit Sicherheit ein ehrlicheres Angebot, als ein Homöopathikum. Gibt es für die lieben Kleinen auch als Suppo…

  10. Norbert Aust sagt:

    Richtig heißt es wohl ‚Susannchen braucht keine Globuli‘.
    Mal sehen, wer es sonst noch merkt …;-)

  11. Jochen Machatschke sagt:

    Sorry für die Wortklauberei, aber heisst es „Susannchen mag keine Globuli“ oder „Susannchen braucht keine Globuli“?

  12. Joseph Kuhn sagt:

    „würde Sie das überzeugen?“

    Was Homöopathiegläubige zum Nachdenken bringen könnte, würde mich auch interessieren. Vermutlich kein einzelnes Argument von uns, sondern eher, wenn die stillgestellte kognitive Dissonanz, der die Leute zwangsläufig durch das Nebeneinander des Vertrauens auf die normale Physik im Alltag (z.B. beim Autofahren) und des irrationalen Glaubens an Geisterkräfte in der Homoöpathie ausgesetzt sind, insgesamt aus dem Gleichgewicht gerät.

    Und Lobbyverbände wie der Zentralverein in Deutschland oder der ÖGHM in Österreich sind durch gar nichts zu überzeugen, da geht es einfach um’s Geschäft. Anders ist die hartnäckige Wiederholung von unhaltbaren Thesen, z.B. in diesem Fall wieder, dass es bei Tieren keinen Placeboeffekt gäbe, nicht zu erklären. Die wissen ganz genau, dass das falsch ist, aber es interessiert sie nicht.

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