Fehlentscheidung: Berliner Senat genehmigte Homöopathie-Studiengang

Vorab: Schon bei der Online-Petition gegen die Traunsteiner Homöo-Akademie unterschrieben? –> hier nachholen.

Bereits vor Weihnachten hatten sich einige Mitstreiter und ich auch an den Berliner Senat gewandt und um eine Stellungnahme zur Genehmigung des Homöopathie-Studiengangs der Steinbeis Hochschule Berlin gebeten. In mehreren gleichlautenden Briefen liegt jetzt eine Stellungnahme vor. Hiernach hat der Berliner Senat in der Tat dem Studiengang zugestimmt. Wie im folgenden Artikel gezeigt wird, handelt es sich dabei um eine auf falschen Voraussetzungen beruhende Fehlentscheidung, die keinen Bestand haben darf.

Wie man allerdings gegen diese Fehlentscheidung erfolgreich vorgehen kann – dazu sind sicherlich vertiefte Kenntnisse im Verwaltungsrecht notwendig. Sollten Sie, lieber Leser, hier über einschlägige Kenntnisse verfügen, oder jemanden kennen, der behilflich sein könnte, bitte ich um entsprechende Kontaktaufnahme (Mailadresse im Impressum).

Stellvertretend hier das Anschreiben von Ute, die recht ausführlich die Bedenken gegen den Studiengang Homöopathie dargestellt hat. Die Stellungnahme des Berliner Senats (hier) fällt hingegen etwas knapper aus. Frau Maria Bering, immerhin Abteilungsleiterin ‚Hochschulen‘ der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft, hat diese ‚im Auftrag‘ unterschrieben. Ich nehme daher an, dass diese Mitteilung tatsächlich etwas über die Hintergründe der Entscheidung im Senat aussagt, auch wenn sie sie ‚aus ihrer Sicht‘ begründet.

Zunächst erläutert Frau Bering, dass die Homöopathie fest im deutschen Gesundheitssystem verankert sei, indem

  • 70% der Krankenkassen homöopathische Behandlungen bezahlen
  • 7000 Ärzte in Deutschland eine von den Landesärztekammern anerkannte homöopathische Weiterbildung absolviert hätten.

Mir fällt spontan der Spruch aus den guten alten Frankfurter 68er-Sponti-Tagen ein: ‚Fresst Scheiße – Zehn Millionen Fliegen können sich nicht irren‘ (Sorry, war jetzt unsachlich, ist mir so rausgerutscht.).

Wie kann man ernsthaft aus einer mehr oder weniger großen Akzeptanz auf den Nutzen schließen? Wieviel Raucher gibt es in Deutschland? Wieviele Säufer? Wieviele Junkies?Lässt sich daraus auf den Nutzen von Tabak, Alkohol und Heroin schließen? Ich glaube ernsthaft, es gibt in Deutschland mehr Vergewaltiger als homöopathisch weitergebildete Ärzte. Soll man dann zukünftig auch einen Studiengang zum BSc of Rape and Abuse einrichten? Oder wäre das vielleicht doch eher ein Bachelor of Arts, da ja die Anwendung im Vordergrund steht? Die Argumentation der Frau Bering ist in diesem Punkt so hahnebüchen, dass mir schlicht und einfach keine seriöse Gegenhaltung einfällt. Echt nicht.

Frau Bering führt dann aber aus:

‚Angesichts dessen ist es aus meiner Sicht sehr sinnvoll, dass die Homöopathie Gegenstand akademischer Forschung und Lehre in Deutschland ist. Schon jetzt bieten nahezu alle staatlichen medizinischen Fakultäten in Deutschland, z. B. an den Universitäten München, Bonn, Bochum, Göttingen und Erlangen, Homöopathie als Wahlfach an; an diesen Fakultäten gibt es Lehrstühle, die sich mit Homöopathie und ihrer Wirksamkeit beschäftigen.‘

Das wäre eine wesentlich besser nachvollziehbare Begründung – wenn sie denn nur stichhaltig wäre.

Wie sieht die Realität der Homöopathie an den deutschen Hochschulen aus?

In der Tat ist die Homöopathie als Wahlfach in der Approbationsordnung für Ärzte enthalten, nach der das Medizinstudium in Deutschland erfolgt (Link). Der Medizinstudent hat sowohl vor als auch nach der ersten Prüfung ein Wahlfach zu belegen. Die Approbationsordnung nennt in Anlage 3 fast 80 Fächer, die hierfür in Frage kommen, eines davon ist die Homöopathie. Wenn man das Abschlusszeugnis als Muster sieht, dann sind in 21 Fächern Leistungsnachweise zu erbringen, dazu in 13 Querschnittsbereichen und in fünf Blockpraktika. Und zu dem Ganzen noch das Wahlfach. Die dort erreichte Note fließt noch nicht einmal in die Gesamtbewertung ein. Entsprechend hoch ist der Stellenwert der homöopathischen Ausbildung im Rahmen des Studiums der Humanmedizin.

Betrachten wir das Beispiel der Universität Göttingen:

Göttingen bietet die Homöopathie als eines von 31 Wahlfächern an (Link),  im Sommersemester 2014 ist der Katalog noch erheblich ausgeweitet. Nach der Einzelbeschreibung (11.09.2015: Link leider erloschen) ist dieses Fach am Institut für Allgemeinmedizin aufgehängt. Als Verantwortliche werden genannt:

  • Frau Prof. Hummers-Pradier, Direktorin des Instituts
  • Frau Dr. Simmenroth-Nayda, Oberärztin am Institut
  • Frau Dr. von Ohlen, Homöopathin mit eigener Praxis, als Ansprechpartnerin

Die beiden Erstgenannten sind Mitarbeiterinnen des Instituts, in ihren Lebensläufen findet sich kein Hinweis darauf, dass sie je mit Homöopathie in Berührung gekommen wären. Frau Dr. v. Ohlen hingegen ist keine Mitarbeiterin des Instituts und fungiert offenbar als externe Lehrbeauftragte für Homöopathie.

Entsprechend findet auch keine Forschung zum Thema Homöopathie statt. Enstprechend werden keine aktuellen Forschungsprojekte benannt und es finden sich in der umfangreichen, bis in das Jahr 2000 zurückreichenden Publikationsliste keine Veröffentlichung, bei der ‚Homöopathie‘ in allen möglichen deutschen oder englischen Schreibweisen enthalten wäre. Das Institut für Allgemeinmedizin beschäftigt sich also selbst nicht mit der Homöopathie – und dies ist anscheinend die Situation an allen deutschen Universitäten, in denen die Homöopathie als Wahlfach angeboten wird.

Die Lehre selbst wird als Seminar mit einem Lehraufwand von 26 Stunden innerhalb eines Semesters durchgeführt. Interessant sind die von der Universität festgelegten Lernziele:

Der/ die Studierende

  • weiß um die Entwicklung der Homöopathie durch Hahnemann und kennt einen historischen Abriss in Grundzügen; kann die Entwicklung der Homöopathie medizin- und ideengeschichtlich einordnen
  • kann ‚klassische Homöopathie‘ zu anderen Formen der Homöopathie (z.B. Komplexmittelhomöopathie / Isopathie) abgrenzen und weiß um die Problematik ihres Wirkungsnachweises nach Kriterien von Evidenzbasierter Medizin (EbM)
  • kennt wesentliche Elemente der homöopathischen Fallaufnahme akuter und chronischer Erkrankungen
  • kennt Grundzüge der homöopathischen Arzneimittelprüfung und -zubereitung (Dynamisierung) und weiß um die offenen wissenschaftlichen Fragen zur Potenzierung
  • weiß in Grundzügen das Modell der Wirkweise der homöopathischen Medikamente sowie das Simile-Prinzip zu erläutern
  • kann zur Studienlage der Homöopathie Stellung nehmen und weiß die Homöopathie im wissenschaftlcihen Kontext einzuordnen
  • kennt Möglichkeiten, Grenzen und Kontraindikationen der homöopathischen Behandlung

Wenn man das so liest, fragt man sich, ob eine Homöopathin als Lehrbeauftragte dies den Studenten tatsächlich auch so vermittelt. Aber auf jeden Fall ist hier das kommunizierte Ziel nicht, dass die Studenten die Homöopathie anwenden können, sondern, ganz im Gegenteil, in die Lage versetzt werden, sich kritisch damit auseinanderzusetzen.

Quintessenz:

  • Die Lehre wird von externen Lehrbeauftragten wahrgenommen.
  • Forschung zur Homöopathie findet nicht statt.
  • Der Umfang und die Intensität der Lehre ist recht überschaubar.

Ja, beim Teutates, die Homöopathie steht als Wahlfach in der Approbationsordnung drin – aber eine ehrwürdige Universität macht sich doch mit sowas nicht die Finger schmutzig.

Diese Sitution findet sich praktisch deckungsgleich an den Universitäten Bonn, Düsseldorf und Erlangen wieder, die ich als Stichproben näher betrachtet habe. In Tübingen gar war ein ‚Studentischer Arbeitskreis Homöopathie‘  aktiv, zumindest im Sommersemester 2012. Aktuell wohl eher nicht mehr. Die Zielsetzung mag von Uni zu Uni variieren und stark von der Intention des Lehrbeauftragten abhängen (in Düsseldorf ist Frau Bajic, Vorsitzende des DZVhÄ als Lehrbeauftragte aktiv). Aber das etwas distanzierte Verhältnis zur Homöopathie scheint allgemein zu sein.

Die Homöopathie ist also mitnichten ‚Gegenstand akademischer Forschung und Lehre in Deutschland‘. Auch die Aussage, dass ’nahezu alle‘ staatlichen medizinischen Fakultäten die Homöopathie anbieten, trifft bei Weitem nicht zu. Die Wikipedia listet unter dem Stichwort ‚Studium der Medizin‘ (Link) für Deutschland insgesamt 34 medizinische Fakultäten auf. Die Carstens-Stiftung (Link) und WissHom (Link, S. 54 ff) bieten Verzeichnisse der Universitäten, die Homöopathie anbieten. Diese Daten sind nicht ganz deckungsgleich, in Summe werden 15 Fakultäten benannt, noch nicht einmal die Hälfte dessen, was Wikipedia auflistet. ‚Nahezu alle‘ stimmt nicht.

Konsequenz: Die Homöopathie ist in keinster Weise ein Objekt, mit dem eine akademische Auseinandersetzung stattfindet. Richtiggehende Lehrstühle, die sich mit der Wirksamkeit der Homöopathie beschäftigen, habe ich keine gefunden. Mithin wäre ein ganzer Studiengang ‚Homöopathie‘ ein Novum im Feld, zumindest eine ganz erhebliche Ausweitung des bestehenden Angebots. Damit kann sich aber der Berliner Senat nicht auf die unterschwellig kolportierte Situation berufen, es gäbe praktisch durch die anderen Universitäten einen oder mehrere Präzedenzfälle, an die man sich ohne viel Aufwand anlehnt. Nein, man hätte, um der Verantwortung gerecht zu werden, das Ansinnen eines Hochschulstudienganges Homöopathie als Präzedenzfall sehr gründlich untersuchen und bewerten müssen. Dies ist nicht geschehen – aus meiner Sicht ein grobes Versäumnis.

Lassen wir mal den nächsten Absatz, in dem Frau Bering dem geplanten Studiengang unterstellt, er ermögliche ‚eine transparente und wissenschaftsgeleitetete Auseinandersetzung‘, unkommentiert im Raum stehen.

Bedeutsam ist, dass Frau Bering die akademische Federführung bei der Hochschule – hier die Steinbeis-Hochschule Berlin sieht – aber ihre Aufsichtspflicht dabei sträflich vernachlässigt. Hierzu muss ich etwas ausholen:

Was ist das Wertvollste, über das eine Hochschule / Universität verfügt?

Das ist ihr guter Ruf, ihr Renommée. Eine renommierte Universität zieht hochkarätige Wissenschaftler an, die erstklassige Forschungsergebnisse erzeugen. Dies führt dazu, dass die anderen (Nachwuchs-)Forscher, die an dieser Universität tätig sind, ebenfalls von diesem Ruf profitieren. Fördergelder fließen hauptsächlich dorthin, prestigeträchtige Forschungsaufträge landen häufiger dort als an Hochschulen mit eher zweitklassigem Ruf. Auch der Abschluss eines Studiums hat einen besseren Klang, wenn er an einer erstklassigen Universität abgelegt wurde.

Das ist so ähnlich wie beim Fußball: Gute Spieler machen eine gute erfolgreiche Mannschaft, der es dann leichter fällt, weitere gute Spieler anzuwerben, was die Mannschaft dann für Zuschauer und Fans noch attraktiver macht.

Das Wohl und Wehe einer ’normalen‘ Hochschule ist also in hohem Maße von ihrem guten Ruf abhängig. Daher ist es eine wesentliche Aufgabe, die die jeweilige Universität selbst wahrnehmen muss, für ihren guten Ruf zu sorgen. Dazu gibt es einige Organe der akademischen Selbstverwaltung, deren Zusammensetzung und Aufgaben ebenfalls im Hochschulgesetz geregelt sind.

Kurz zusammengefasst: Diese Gremien, in denen die Hochschullehrer die absolute Mehrheit haben, erarbeiten Vorschläge zur

  • Einrichtung und Schließung von Studiengängen
  • Berufung von neuen Hochschullehrern
  • Einrichtung oder Schließung von Fachbereichen
  • Einrichtung und Schließung von Sonderforschungsbereichen

Das Kuratorium, dem diese Vorschläge unterbreitet werden, besteht aus Mitgliedern der zuständigen Kultusbehörde, des Landesparlaments, der Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften und noch ein paar mehr. Diese können die Vorschläge der Hochschule ablehnen oder ihnen zustimmen, aber keine Entscheidungen gegen die Hochschule durchdrücken. Zumindest geht das theoretisch nicht, was hinter den Kulissen abläuft, ist aber für unsere Betrachtung hier nicht interessant.

Professoren und wissenschaftliche Mitarbeiter gestalten also selbst, wie ihre Hochschule agiert. Dies ist kein Interessenkonflikt, denn sowohl der Träger als auch die Professoren und die wissenschaftlichen Mitarbeiter sind an dem guten Ruf der Hochschule interessiert. Für den Fall Berlin gesprochen heißt das, dass sich die Senatsverwaltung darauf verlassen kann, dass eine Hochschule sehr wahrscheinlich nichts tut, was ihrem Ruf schaden könnte, also etwa irgendwelche abstrusen Studiengänge ins Leben rufen. Genauso kann man davon ausgehen, dass Dinge, die dem Ruf einer Hochschule schaden, über kurz oder lang bereinigt werden.

Nun fällt Ihnen sicher das Beispiel der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder ein, an der Harald Walach sein Unwesen treibt. Zunächst muss man feststellen, dass es sich hier um eine Stiftungsprofessur handelt, diese also nicht aus dem öffentlichen Etat der Hochschule finanziert werden muss. Das ist natürlich immer verlockend, wenn irgendjemand Geld für etwas bezahlt, was einer Hochschule zugute kommt, die in einer nicht so sehr attraktiven Ecke des Landes angesiedelt ist. Aber, auch hier scheint das letzte Wort noch nicht gesprochen zu sein (Link).

Halten wir also fest: In einer staatlichen Hochschule haben die Professoren das Sagen und dabei ein Interesse daran, dass die Hochschule einen guten wissenschaftlichen Ruf errreicht bzw. beibehält.

Daraus ist zu folgern, dass man sich als Kultusbehörde einigermaßen darauf verlassen kann, dass ein neu beantragter Studiengang prinzipiell an die Wissenschaftlichkeit zu stellende Anforderungen erfüllt. Eine Genehmigung ist in diesem Fall mehr oder weniger eine Formsache. Man kann in diesem Zusammenhang dann die Akkreditierung des Studiengangs als eine Qualitätssicherungsmaßnahme sehen, die von unabhängiger Stelle erfolgt, um nicht Filz und Vetternwirtschaft Tür und Tor zu öffnen.

Wie sieht das jetzt bei der Steinbeis-Hochschule Berlin (SHB) aus?

Die Steinbeis-Hochschule erscheint zuvorderst als ein Wirtschaftsunternehmen, das seinen Kunden berufliche Weiterqualifikation anbietet. Damit steht sie in Konkurrenz zu anderen Unternehmen der gleichen Art, die ähnliche Leistungen anbieten. Beispielsweise ist der Markt für Weiterbildungen zum ‚Master of Business Administration‘, einem Hauptarbeitsfeld der SHB, geradezu unüberschaubar groß.

Daher muss man dort eine ganz andere Optimierungsaufgabe lösen: Sind die Anforderungen zu niedrig, dann leidet auch hier der Ruf, ähnlich wie bei einer staatlichen Hochschule, und die Kunden bleiben weg, weil die Ausbildung nichts wert ist. Ist das Niveau aber zu hoch, die Durchfallrate zu groß, dann bleiben die Kunden auch weg, die schlussendlich sehr viel Geld für ihr Studium bezahlen und dafür auch einen Erfolg erreichen wollen. Das Ziel der privaten Hochschule muss also ein Mittelmaß sein, das noch dazu möglichst kostengünstig erreicht werden muss.

Nach den Angaben auf der Webseite der SHB fehlt denn auch ein Organ der akademischen Selbstverwaltung. Es gibt dort ein Präsidium, wahrgenommen durch Professor Löhn persönlich, und einen Hochschulrat mit einer ganzen Menge Mitgliedern. Aber was dieser für Aufgaben wahrnimmt, ist der Webseite nicht zu entnehmen.

Natürlich können auch Hochschulen in privater Trägerschaft wissenschaftliche Leistungen erbringen und hohen Standards genügen. Dass dies der Fall ist, wird normalerweise durch eine ‚institutionelle Akkreditierung‘ durch den Wissenschaftsrat sichergestellt. Dies ist ein Vorgang, der von der früher hier schon diskutierten Programm-Akkreditierung eines Studiengangs zu unterscheiden ist. Es ist schwierig, dass das alles immer recht ähnlich heißt, es hilft aber nichts, wir müssen die Programm-Akkreditierung eines Studiengangs und die institutionelle Akkreditierung einer Bildungseinrichtung auseinanderhalten.

Die Kriterien für eine solche institutionelle Akkreditierung sind hier im Abschnitt B.V ersichtlich. Dort steht zum Beispiel auch geschrieben, dass die Hauptverantwortung für die Gestaltung von Forschung und Lehre bei den Professoren liegen muss (S. 21).

Nota bene: auch von Hochschulen, die nur Bachelor-Studiengänge anbieten, werden Forschungsaktivitäten erwartet (S.22).

Alles ganz schön – wenn die SHB nur diese Akkreditierung erreicht hätte. Hat sie aber nicht, denn in der Liste der vom Wissenschaftsrat abgeschlossenen institutionellen Akkreditierungen (hier) kommt die SHB nicht vor.

Was bedeutet das jetzt? Frau Bering schrieb:

‚Was Ihre Bedenken hinsichtlich der Einrichtung und Durchführung des Studiengangs angeht, so kann ich Ihnen mitteilen, dass diese gegenstandslos sind.: Der Studiengang soll von der Steinbeis Hochschule in Kooperation mit der ‚Akademie für Homöopathie‘ durchgeführt werden. Das heißt, dass […] die akademische Federführung bei der Hochschule liegt … ‚

Der Berliner Senat hat sich offenbar auf die Hochschule verlassen, dass diese einen adäquaten wissenschaftlichen Studiengang anbietet, wie dies bei einer staatlichen oder einer institutionell akkreditierten Hochschule vielleicht gerechtfertigt wäre, ohne allerdings zu berücksichtigen, dass diese Voraussetzung bei der SHB ja gar nicht gegeben ist.

Natürlich darf eine private Bildungseinrichtung Studiengänge durchführen, wie sie will, und irgendwelche Fantasietitel vergeben. Aber wenn man akademische Grade vergibt, dann hat man sich an die gesetzlichen Vorgaben zu halten. Und wenn die Aufsichtsbehörde diese Vorgaben nicht überprüft und durchsetzt oder sonst ihre Konsequenzen daraus zieht, dann liegt da ein Versäumnis vor, das am Ende mehr oder weniger viele junge Studenten dadurch bezahlen müssen, dass ihr Aufwand an Zeit und Geld vergeblich war.

Man schaue sich nochmals die Liste der erfolgten institutionellen Akkreditierungen an: Kleine und kleinste Bildungseinrichtungen haben sich da erfolgreich akkreditieren lassen, zum Beispiel die Hertie School of Governance, 2003 von der Hertie-Stiftung, dem früheren Warenhauskonzern, gegründet. Oder die btk Hochschule für Gestaltung. Oder die bereits 1968 gegründete Fachhochschule Heidelberg, die heute unter dem Namen SRH Hochschule Heidelberg firmiert, nach eigenen Angaben eine der ältesten privaten Hochschulen Deutschlands.

Nur die Steinbeis-Hochschule Berlin, mit nach eigenen Angaben immerhin derzeit rund 5000 Studenten, braucht das offenbar nicht, kann sogar Studiengänge ohne Programmakkreditierung anbieten?

Welcher Filz und welche Seilschaften sind da denn am Werk?

Zusammenfassung

Ganz offensichtlich hat die Berliner Kultusverwaltung im Jahr 2012 bei der Prüfung des Studiengangs ‚Complementary Medicine and Management, Vertiefungsrichtung Homöopathie EUH‘ der Steinbeis Hochschule Berlin nicht die nötige Sorgfalt walten lassen.

Zum Einen gibt es keine Präzedenzfälle, dass die Homöopathie großflächig Gegenstand akademischer Forschung und Lehre wäre. Ganz im Gegenteil, die Berliner Senatsverwaltung hat mit ihrer Entscheidung einen solchen erst geschaffen, ohne die unter diesen Bedingungen besonders erforderliche Sorgfalt auf eine Prüfung zu verwenden.

Darüber hinaus hat die Berliner Senatsverwaltung keine Konsequenzen daraus gezogen, dass die Steinbeis-Hochschule trotz ihrer Größe erstaunlicherweise nicht über eine institutionelle Akkreditierung verfügt. Sie geht somit bei einem eher auf wirtschaftlichen denn auf wissenschaftlichen Erfolg ausgerichteten Unternehmen von den gleichen Voraussetzungen aus wie bei einer staatlichen Hochschule, nämlich dass die Akademische Selbstverwaltung aus Eigeninteresse für eine wissenschaftliche Qualität des Studienangebots sorgt.

Neben dem offenkunduigen Skandal, dass es in Berlin offenbar eine Lex Steinbeis gibt, führt dies zu einer Fehlentscheidung, die weitreichende Folgen für

  • die Studierenden,
  • den Wissenschaftsstandort Deutschland
  • und für das Gesundheitswesen

haben wird, wenn dem nicht Einhalt geboten wird.

Was tun?

Aus meiner Sicht muss gegen diese Entscheidung des Berliner Senats vorgegangen werden.

Nur wie?

Einspruch?
Petition?
Klage vor dem Verwaltungsgericht?
Einschalten der Opposition im Berliner Senat?

Ich habe keine Ahnung, was hier am Erfolgversprechendsten ist. Natürlich werde ich Frau Bering eine entsprechende Antwort zukommen lassen, aber es scheint mir erforderlich, dies durch geeignete zielführende Maßnahmen zu unterstützen.

Meine Bitte an Sie: Sollten Sie, lieber Leser, hier weiterhelfen können bzw. jemanden kennen, der hier tätig werden könnte, dann lassen Sie es mich bitte wissen. Meine Mailadresse finden Sie im Impressum.

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9 Antworten zu Fehlentscheidung: Berliner Senat genehmigte Homöopathie-Studiengang

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  3. Johannes Güntert sagt:

    Unfassbar. Das mit der Scheiße und den Fliegen stimmt wirklich. Grassierende Blödheit auf Regierungsebene.

  4. Clemens sagt:

    Bin ja eigentlich nicht so ein Fan von Onlinepetitionen, da musste ich aber unterschreiben, schon wegen der Notwendigkeit von Gegenoeffentlichkeit.

  5. Pingback: Eine Petition gegen die Akademisierung der Homöopathie – Gesundheits-Check

  6. Dr.Michael Bauer sagt:

    Dies ist unglaublich. Wieso muss das ausgerechnet in meiner Heimatstadt Traunstein geschehen? Bayern war früher immer so stolz auf seine hohen Standards.
    Was ist ein Hochschulstudium dann noch wert?
    Wie kann es sein, dass man ohne Hochschulstudium an einer Universität unterrichten kann?
    Was sind das für Politiker in Berlin? Wissen die überhaupt, was Wissenschaft ist und, was Homöopathie?
    Die Petition werde ich jetzt unterzeichnen.

  7. Rach sagt:

    Wenigstens eines dürfte den künftigen Absolventen jetzt schon klar sein – hausieren oder öffentlich werben können sie mit ihren „Titeln“ wohl eher nicht. Immerhin setzen sich diese unter ein skeptisches Brennglas und geben sich der Lächerlichkeit preis.

  8. ratiogeraet sagt:

    …unfassbar! Ich glaube, ich sollte auch so eine Hochschule gründen. Als Steinbeis-Transfer-Institut. Bestimmt gibt es auch noch einen Markt für akademisch ausgebildete Nageldesignerinnen (Bachelor of Nail Design).
    Ich fass es nicht, dass so ein Etikettenschwindel in unserem hochbürokratischen Land überhaupt möglich ist. Und ich verstehe nicht, warum sich nicht die echten Hochschulen dagegen wehren, dass so ein Pseudohochschulsystem den Leuten das Geld aus der Tasche ziehen kann und davon lebt, dass die meisten Leute richtige Hochschulen nicht von kommerziellen Kursanbietern mit wohlklingendem Namen unterscheiden können.

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